Dass mit Meinungsumfragen Wahlkampf gemacht wird, ist nicht neu. In den letzten Jahren ist das stark eingerissen. Dagegen kann man kaum etwas machen: In Frankreich gilt die Vorschrift, wonach ab zwei Wochen vor der Wahl keine Umfragen mehr veröffentlicht werden dürfen. Aber das hätte in diesem österreichischen Präsidentschaftswahlkampf nichts geholfen. Die Umfragen, die das Meinungsbild ein für alle Mal bestimmt haben, sind schon früher bekannt geworden. Das einzige Mittel gegen diese Beeinflussung wären noch viel mehr Umfragen, die einander dann aufheben und um die Glaubwürdigkeit bringen.
So unverschämt manipuliert wie bei der laufenden Bundespräsidentenwahl ist allerdings noch nie mit der Demoskopie worden. Daran sind nicht einmal so sehr die Meinungsforscher selbst schuld, es sind vielmehr ihre Auftraggeber, die die Umfragen dazu benützten, ihre politischen Absichten zu untermauern.
DAS ERGEBNIS PASST INS KLISCHEE DER KOMMENTATOREN
Als sich bei den ersten Befragungen zeigte, dass Alexander Van der Bellen an der Spitze liegt, gefolgt von Irmgard Griss bzw. Norbert Hofer, während Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer anscheinend abgeschlagen waren, war für einige Kommentatoren die Entscheidung schon gefallen. Für sie stand fest, was bestens in ihr Klischee passte und seither immer neu als Botschaft verkündet wird: Es handelt sich um Verdikt über die Regierungspolitik.
Seither wird über die beiden nur noch in herablassendem und mitleidigem Ton geredet. Khol wird zwar irgendwie verschämt zugestanden, er sei der für das Amt der am besten Geeignete, das darf aber keine Rolle spielen, wenn es um die Abrechnung mit der Regierung geht. Außerdem stellt er die eigene Lieblingskandidatin in den Schatten. Indirekt gibt man damit freilich zu, dass man gar nicht das Amt im Sinn hat.
Letztlich läuft das auf die kaum verhüllte oder überhaupt offene Parteinahme für Van der Bellen und Griss hinaus. Beim Grünen wird wenigstens noch gelegentlich die Frage gestellt, was er eigentlich in seiner langen politischen Karriere gewollt oder vielleicht zustande gebracht hat. Manche bemerken wenigstens, dass er immer nur so getan hat als ob er nicht zu dem System dazugehört hätte, von dem er sich nun distanziert. Bei Befragungen redet er so lange herum, dass er sich die Antwort erspart.
BEI GRISS DAGEGEN ERSPART MAN SICH ÜBERHAUPT JEDE KRITISCHE ANFRAGE. SIE WIRD ALS REINE LICHTGESTALT PRÄSENTIERT, JEDE IHRER AUSSAGEN ODER ANKÜNDIGUNGEN WIRD ALS NEUE OFFENBARUNG GEFEIERT.
Ein anderer Fall ist Norbert Hofer. Am Wiener (Gratis-)Boulevard und bei den linken Meinungsblättern wird er auffallend schonend behandelt. Der Grund ist durchsichtig: Da mit Hundstorfer nicht mehr gerechnet wird, soll es stattdessen der andere Linke, Van der Bellen schaffen. Dazu muss Hofer in die Stichwahl kommen. Dann kann man sich auf den Effekt verlassen und ihn noch medial verstärken, dass nun „alle Demokraten“ gegen die „Gefahr von rechts zusammenstehen müssen“. Das heißt auf Deutsch: Van der Bellen wählen müssen. Man darf sicher sein, dass dieser Appell bei jenen verschreckten Bürgerlichen seine Wirkung nicht verfehlen wird, die schon bei der Wiener Gemeinderatswahl die SPÖ gewählt haben, um „Strache zu verhindern“.