Wir brauchen eine neue europäische Idee

Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Bratislava war eine Enttäuschung. Auf ORF III wurde am gestrigen Samstag die Abschlusspressekonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande übertragen.

Minutenlang war in endlosen, aber wohlfeil vorgetragenen Sätzen genau nichts von konkreten Maßnahmen zu hören. Man werde kooperieren, man werde zusammenarbeiten, man habe vereinbart, man werde im gemeinsamen Geist vorgehen, man habe die Agenda vorbereitet, man möchte Impulse für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze geben, man nehme die Bedenken ernst, man möchte die EU-Außengrenzen schützen und so weiter und so fort lauteten die rhetorisch geschickt vorgetragenen hohlen Phrasen.

Man muss selbst als aufmerksamer und kritischer Beobachter darauf achten, durch solche Worthülsen nicht gänzlich die Aufmerksamkeit zu verlieren. Wer auf konkrete Maßnahmen zur Lösung wenigstens einiger EU-Krisenthemen gehofft hatte wurde enttäuscht.

Es gibt offensichtlich keinen Plan für die Bewältigung des Brexits, es gibt keinen Plan für die Griechenland-Krise, es gibt keinen Plan für die Bewältigung der Staatsschuldenkrisen, es gibt keinen Plan zur Bewältigung der Euro-Krise und es gibt auch keinen Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Alles wurde auf den kommenden März, wenn die EU den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Gründungsverträge der Gemeinschaft feiert, verschoben. Bei einem weiteren Treffen der „EU 27“ in Rom sollen dann Ergebnisse vorliegen. Die EU müsse mit Taten für sich werben, sagt Merkel auf ihrer gemeinsamen Abschlusspressekonferenz mit dem französischen Präsidenten François Hollande.

Die europäischen Bürger werden also auf das nächste EU-Gipfeltreffen im März 2017 in Rom vertröstet. Bis dahin sollen also offensichtlich die bürokratischen Institutionen der EU und aller Mitgliedsstaaten die konkreten Maßnahmen ausarbeiten, um alle europäischen Probleme zu lösen.

Man darf es vielleicht vorwegnehmen und schon jetzt seine Skepsis zum Ausdruck bringen. Wenig deutet darauf hin, dass im März 2017 in Rom ein wahres Feuerwerk an konkreten Maßnahmen gezündet wird. Es ist vielmehr zu befürchten, dass eine erneute Kaskade an Worthülsen über die europäischen Bürger ergehen wird.

Die EU scheint nicht mehr in der Lage zu sein, zu praktikablen und umsetzbaren Lösungen zu finden. Der durch den jeweiligen politischen Kompromiss zustande kommende minimale Konsens der EU-27 ist zu wenig, um die doch beachtlichen Aufgaben zu bewältigen. Die Latte der Herausforderungen liegt einfach höher und die EU springt nicht mehr darüber. Sie hat diese Kraft offensichtlich über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg verloren. Auch erscheinen die handelnden Akteure selbst allesamt angeschlagen oder amtsmüde.

Ein reines Austauschen der handelnden Personen kann zwar kurz- und mitunter auch mittelfristig helfen, löst im Regelfall aber keine langfristigen Probleme. Vielleicht sollten wir diese Form der Europäischen Union generell hinterfragen. Politische und bürokratische Institutionen können kommen und gehen. Europa als Kontinent wird es immer geben. Vielleicht braucht es eine neue „Europäische Idee“, um Europa zu einer prosperierenden Zukunft in einer globalisierten Welt zu verhelfen.