Interview mit Kurt Mann

Überall in Wien kennt man sie:  Die Traditionsbäckerei "Der Mann". Der Betrieb wird seit 1973 von Kurt Mann geführt. Dank seinem unternehmerischen Weitblick ist der Betrieb auf seine heutige Größe mit mehr als 700 Mitarbeitern in über 70 Filialen gewachsen. Kurt Mann ist nicht nur ein besonders geschickter Unternehmer, sondern er war auch der jüngste, dem der Titel Kommerzialrat in Österreich verliehen wurde und ist außerdem Senator der Universität für Bodenkultur und Träger des Goldenen Ehrenzeichens für die Verdienste um die Republik Österreich. Mit Kathrin Nachbaur sprach er im Interview über die Bürokratie in Österreich, wie er mit der Konkurrenz der Supermarkt-Backshops umgeht und wie er das Sozialsystem in Österreich bewertet.

Kathrin Nachbaur: Der Mann hat mittlerweile 78 Filialen in Wien. Ich nehme an, Ihre Mitarbeiter sind mit den Vertretern der Lebensmittelbehörde und des Arbeitsinspektorates ein eingespieltes Team? Oder gibt es immer noch hin und wieder weltfremde Vorgaben, wo man sich als Unternehmer auf den Kopf greift?

Kurt Mann: Leider sind meine Mitarbeiter und die Aufsichtsbehörden kein eingespieltes Team. Die Beamten sehen es nicht als ihre Aufgabe zu unterstützen oder konkrete Lösungen vorzuschlagen.

„Die Beamten sehen es nicht als ihre Aufgabe zu unterstützen oder konkrete Lösungen vorzuschlagen.“

Ein gutes Beispiel ist der Feuerlöscher, der geprüft war, ein Schild hatte, auf der richtigen Griffhöhe positioniert war, die richtige Brandklasse und die richtige Füllmenge hatte. Nur der Aufstellungsort hat dem Beamten nicht gepasst, obwohl gut sichtbar. Natürlich mit Strafe. Auf die Frage wo er hängen soll, bekamen wir keine Antwort. Wäre es um das Problem gegangen (Sicherheit für Kunden), hätte man uns nur sagen brauchen wo der Löscher hin soll und wir hätten ihn in der Sekunde umgehängt. Aber es ging leider darum, Geld einzutreiben und sonst nichts. Ich würde mir z.B. wünschen, dass man beim ersten Mal hinweist und versucht, ein Problem zu lösen. Wenn dann nichts passiert, bin ich voll dafür zu strafen. Viele Beamten sehen sich aber nicht als Problemlöser sondern suchen nur Fehler und Strafzettelmöglichkeiten. Aktuelles Beispiel: Vor einer Filiale stehen zwei Tische und vier Sessel, alles bewilligt als Schanigarten. Ein Kunde hat einen Sessel beim Aufstehen etwas verrückt. Wir haben eine Strafe bekommen, weil der Schanigarten statt 8m² nunmehr knappe 9m² groß war. Uns wurde vorgeworfen, dass wir Gebühren hinterziehen würden, weil wir unseren Schanigarten unerlaubt größer machen würden. Natürlich falsch und unfair, denn wenn ich meinen Schanigarten größer machen würde, würde ich mehr Sessel und Tische hinausstellen statt einen Sessel um ein paar Zentimeter zu verrücken.

Nachbaur: Wie gehen Sie mit der Konurrenz aus den Backshops in großen Supermartktketten um?

Mann: Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Backshops und Supermarktketten sind sehr ernst zu nehmende Mitbewerber.

„Sie sind ein Ansporn noch besser zu werden in Qualität und Service.“

Aber vor allem sind sie Ansporn noch besser sein zu werden in Qualität und Service. Die Bäcker müssen sich noch mehr abheben und einen Zusatznutzen bieten, denn warum sollte sonst der Kunde extra zum Bäcker gehen. Fakt ist: in der heutigen Zeit muss man mehr tun für weniger Ertrag, das ist natürlich nicht immer lustig.

Nachbaur: Apropos Konkurrenz: machen die öffentlich heiß diskutierten Freihandelsabkommen für Sie und Ihr Gewerbe einen Unterschied? Wäre Nordamerika ein interessanter Exportmarkt?

Mann: Wir sind nicht international aufgestellt. Wir sind ein regionaler Handwerks-Bäcker der beste Qualität auch durch bestmögliche Frische garantiert. Das schränkt unseren Lieferradius natürlich ein.  Sollte sich jemand aus Nordamerika für unsere Produkte interessieren, würden wir Lösungen suchen und finden. Aktiv exportieren wir aber nicht, das passt besser zu den automatisierten Tiefkühl-Straßen der Industriebäcker.

Nachbaur: Österreich hat eine sehr hohe Steuer- und Abgabenquote. Regelmäßig gibt es Zuckerln für die Unternehmer in Form von diversen Förderprogrammen / Investitionsförderungen. Begrüßen Sie das oder würden Sie lieber in Ruhe arbeiten ohne zu viel Einmischung vom Staat und mit einer geringeren Abgabenlast?

Mann: Der Nachteil von Förderprogrammen ist, dass sie sich meistens zu einem Förderdschungel auswachsen.  Wer fördert? Was wird gefördert? Welche Bedingungen gibt es? Oft gilt die Förderung auch nur für bestimmte Personen, z.B. KMUs. Und so weiter. Wer blickt da noch durch? Ich befürchte, dass ich sogar verschiedene Förderungen nicht in Anspruch nehme, weil ich entweder davon gar nichts weiß, oder aber die richtigen Kontakte, Personen, Formulare nicht habe.

„Mir erscheint eine geringere Abgabenlast besser.“

Wer viel arbeitet und den Kopf und den Schreibtisch voll hat, hat oft gar nicht die Zeit sich auf die Suche nach Fördertöpfen zu begeben. Personen mit viel Tagesfreizeit sind hier klar im Vorteil. Mir erscheint eine geringere Abgabenlast besser.

Nachbaur: Man sagt, Bäcker sei ein Beruf, der möglicherweise auch aufgrund der (frühen) Arbeitszeiten, vom Aussterben bedroht ist. Ist es schwierig Personal zu bekommen? Heimisches Personal? Gibt es unter den Migranten „hungrigere“ Mitarbeiter?

Mann: Gute Mitarbeiter zu bekommen ist in keiner Branche einfach. Ich habe das Glück, dass meine MANNschaft hervorragend ist.

„Meine MANNschaft ist hervorragend.“

Ich glaube nicht, dass der Bäckerberuf vom Aussterben bedroht ist. Im Gegenteil ist man als guter Bäcker heute eine gesuchte Fachkraft, der auch am Weg zur Führungskraft alle Türen offen stehen. Etliche Betriebe müssen ja auch wegen Nachfolgermangel schließen. Das Problem sehe ich eher darin, dass das Handwerk bzw. Lehrberufe kein gutes Image haben, völlig zu Unrecht übrigens.

Nachbaur: Sind Sie mit dem Ausbildungssystem in unserem Land zufrieden? Haben Sie Verbesserungsvorschläge?

Mann: Grundsätzlich bin ich zufrieden. Allerdings gibt es – wie überall – Verbesserungspotential. Eine besondere Herausforderung ist sicher der rasche und immer rascher werdende Technologiewandel. Die Berufsschulen müssen sich schnell an sich ändernde Gegebenheiten anpassen, etwa neue Technologien, neue Maschinen, neue Verfahrensweisen. Das ist sicher für die Schulen schwierig, aber hier könnte noch mehr Fokus auf moderne und praxisnahe Ausbildung gelegt werden.

Nachbaur: Österreich hat ein sehr großzügiges Sozialsystem. Auf eine bundeseinheitliche Mindestsicherung konnte man sich nicht einigen, weshalb das besonders großzügig ausgestattete Wien Ziel Nr. 1 ist: 56% aller Mindestsicherungsbezieher sind in Wien. Wollen und können sich die Wiener es dauerhaft leisten so viele Menschen zu versorgen?

Mann: Ich bin der Ansicht, dass sich Leistung lohnen muss. Wenn ich für Vollzeitarbeit kaum mehr Geld als die Mindestsicherung bekomme, ist der Arbeitsanreiz zu gering.

„Leistung muss sich lohnen.“

Ich glaube auch, dass man die Zumutbarkeitsbestimmungen kritisch hinterfragen muss. Menschen in Not soll man unterstützen, aber man muss darauf achten, nicht Leistungen oder Geldmittel leichtfertig herzugeben.  Denn was nichts kostet, ist gefühlt oft leider auch nichts wert. Viel wichtiger ist aber, dass die Menschen wieder eine echte Chance bekommen, sich selbst Wohlstand aufzubauen. Dass sich Leistung wieder auszahlen muss, und dass Fleiß und Strebsamkeit auch zu Erfolg führen können. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen gerne nach Wissen, Leistung und Erfolg streben, aber es muss eine faire Chance geben und sich auszahlen.

Nachbaur: Als Folge werden die Gebühren für Wasser, Müllabfuhr und Parken mit 2017 massiv erhöht. Wie bewerten Sie das als Unternehmer?

Mann: Manchmal müssen Gebührenerhöhungen sein. Ich muss mich in meinem Betrieb trotzdem ständig bemühen um besser, effizienter und qualitätsvoller zu werden. Denn ich kann nicht einfach meine Preise uneingeschränkt erhöhen, das verhindert der Konkurrenzdruck. Die Stadt hat es leichter, die kann Parkgebühren erhöhen wie es ihr gefällt. Ich glaube die Stadt sollte sich an Unternehmen orientieren und auch überlegen, wo sie effizienter, besser oder qualitätsvoller werden könnte.

Nachbaur: Ein anderes Thema: Vor kurzem wurde eine Refordm der Gewerbeordnung  beschlossen. In wie weit halten Sie diese für sinnvoll? Führt dese Reform zu einer Abwertung von Lehre und Meisterabschluss?

Mann: Ich freue mich über Entbürokratisierung mit Augenmaß. Es gibt sicher Berufe, wo ein Gewerbeschein für mehrere Tätigkeiten genügt.

„Ich freue mich über Entbürokratiesierung mit Augenmaß.“

Oder wo eventuell kein Befähigungsnachweis erforderlich ist. Dass Entbürokratisierung den Lehr- oder Meisterabschluss abwertet glaube ich keinesfalls. Im Gegenteil, gut ausgebildete und tüchtige Fachkräfte sind gesucht und haben heute eine rosige Zukunft.

Nachbaur: Zum Schluss noch eine Frage zum Fach: Immer mehr Menschen leiden unter diversen Lebensmittelintoleranzen. War das Ihrer meinung nach schom immer so und wurde dem keine Aufmerksamkeit geschenkt oder ist das eine neue Entwicklung? Was könnte die Ursache sein? Wie reagieren Sie mit Ihren Produkten auf die Bedürfnisse der Kunden?

Mann: Lebensmittelintoleranzen sind für manche Menschen ein ernstes Gesundheitsthema. Nachgewiesen sind derartige Erkrankungen aber nur in wenigen Fällen. Die überwiegende Mehrzahl der involvierten Menschen entscheidet sich freiwillig, etwa aus Lifestyle-Gründen, für eine gewisse Ernährungsform. Heute definiert man sich auch teilweise durch die Ernährungsgewohnheiten und transportiert dadurch ein gewisses Image.

„In meinem Betrieb bieten wir zahlreiche Produkte für unterschiedliche Ernährungsformen an.“

Das ist völlig in Ordnung und auch in meinem Betrieb bieten wir zahlreiche Produkte für unterschiedliche Ernährungsformen an. Ich persönlich esse sehr ausgewogen und genieße gerne auch einmal vegetarische, vegane oder laktosefreie Produkte.  Und freue mich, dass ich unberührt von körperlichen Lebensmittelintoleranzen und emotional frei von Lifestyle-Zwängen alle Geschmacksrichtungen genießen kann.

Nachbaur: Vielen Dank für das interessante Gespräch und Ihre Zeit.