Daten-mässig sind wir im Blindflug

Interview mit Dr.med. Ernest Pichlbauer, Pathologe und Controller. Er ist unabhängiger Gesundheitsökonom, Blogger (rezeptblog.at) und gesundheitspolitischer Kolumnist, sowie Ass.Prof. für evidenzbasierte Medizin an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien.

 

Herr Dr. Pichlbauer, wir erleben eine Art Reizüberflutung in Sachen Corona- Info. Was wissen wir wirklich?

Wer ist „wir“. Die Frage ist deswegen wichtig, weil epidemiologisch regionale Unterschiede von großer Bedeutung sind. In einer Bussi-Bussi-Gesellschaft, wo man sich mindestens die Hände schüttelt, verläuft die Epidemie anders, als in einem Land, das sich verbeugt. Wo es keinen oder einen schlecht in Anspruch genommenen öffentlichen Verkehr gibt, anders, als dort, wo man dichtest gedrängt in einer U-Bahn steht. International wird rund um die epidemiologisch relevanten Parameter sehr viel geforscht – und da weiß man dann auch viel, etwa, dass weltweit, also regional unabhängig, eine Übertragung von Kindern unter 10 Jahre auf Erwachsene nicht stattfindet – aber wissen „wir“ das? Betrachte ich die Reaktion der Politik auf Schulschließungen und Maskenpflicht für Kinder, dann wissen „wir“ das offenbar nicht.

Wie ist die Datenlage? Wird professionell erhoben, was zu erheben ist?

Katastrophal ist das Wort, das mir sofort einfällt. Es wird nichts professionell im Sinne eines epidemiologischen Wissensaufbau erhoben – im Gegenteil. Selbst heute herrscht noch immer Chaos in der Datenlage und es wurde auch nie probiert, diese zu verbessern. Es ist wie immer in Österreich – wer braucht schon Daten, wenn man doch auch mit Gefühl regieren kann. Dabei wären Daten sehr wichtig, um eben herauszufinden, welche Maßnahme hat welche Wirkung bei wem? Also alles was Epidemiologen bräuchten, um dieses „Flatten the Curve“ umzusetzen. Denn das, was aktuell passiert, ist ja eine Unterdrückung der Ansteckung! Bei „Flatten the Curve“ wäre ja die Fläche unter der Kurve immer die gleiche, also kein Verhindern der Ansteckung, sondern ein Abbremsen, damit die Zahl der Infizierten nicht auf einmal passiert und so die Kapazitäten der Versorgung überfordert. Doch wenn wir keine Daten haben und sammeln, dann bleibt uns nur übrig, auf die zweite Welle und dann die dritte zu warten – oder aber den Lockdown bis zur Impfung aufrecht zu erhalten!

 

Sie haben sich bestimmt näher mit Schweden befasst, können wir Lehren ziehen oder hat man sich bei uns eben gegen die Herdenimmunität und für das Warten auf den Impfstoff entschieden, also einen ganz anderen Weg?

Ich bin kein Epidemiologe – und es ärgert mich sehr, dass wir keine haben, die uns das erklären, was dort abgeht. Soweit ich das verstehe, ist es eine Protektionsstrategie – also wird nicht alles runtergefahren, sondern rund um vulnerable Gruppe ein Schutz gezogen, während für alle anderen eine Empfehlung zur Reduktion der sozialen Kontakte besteht. Damit nimmt man eine Durchseuchung in Kauf, die man aber nicht aktiv anstrebt, aber doch erhofft. Dabei erwartet man zwei Vorteile: einen hohen Grad an Durchseuchung, der eine weitere Verbreitung zunehmen hemmt, und eine so weit wie möglich Aufrechterhaltung des Geldflusses. Diese Strategie bekämpft also nicht die Seuche, um sie auszurotten, sondern findet einen modus vivendi mit ihr – und weil es eben eine Seuche ist, sind auch Opfer verbunden, wie bei jeder Seuche. COVID-19 wird zwar deutlich strenger als Influenza adressiert, aber doch erheblich geringer, als alles was wir tun – wir tun so, als ob wir die Seuche aus dem Land bringen könnten und dann nie wieder von Ihr hören! Aber das geht halt nicht.

Haben wir schon Zahlen, ob in Österreich, Europa, Schweden mehr Menschen verstorben sind, als in den Jahren zuvor und was bedeuten diese Erkenntnisse?

Die Publikationen zur Übersterblichkeit werden ständig erweitert. Am besten, man macht sich dazu selbst ein Bild auf euromomo.eu  Wie es aussieht, wird dort, wo die Seuche viele Opfer gefordert hat und so eine erhebliche Übersterblichkeit auslöste, nun eine Phase der Untersterblichkeit kommen – das heißt, dass eben jene Menschen, die, statistisch betrachtet, auf Grund Ihrer Konstitution in den nächsten Monaten gestorben wären, durch COVID-19 früher starben. Kühl berechnet wurde das Leben dieser Menschen durch COVID-19 um wenige Wochen verkürzt. In einigen Ländern, wie in Österreich, wurde bisher keine Übersterblichkeit dokumentiert – und wir werden sehen, ob es hier nicht in der zweiten Welle dann dazu kommt.

 

Welche Lehren ziehen wir aus der Coronakrise für unser Gesundheitswesen?

Das ist wieder das „wir“. So wie sich unsere Regierung benommen hat, werden wir keine Lehren daraus ziehen, sondern den Mythos des besten Gesundheitsystems der Welt aufrechterhalten. Vielleicht werden wir die Masken- und Schutzkleidungsproduktion staatlich gestützt ins Land zurückholen – das wird es wohl gewesen sein.

 

Ist der Ruf nach der Schließung von Spitälern nun vom Tisch?

Ich fürchte ja! Schon jetzt ist von hochrangigen Politikern zu hören, dass sie uns die Spitäler gerettet haben. Obwohl das halt so gar nicht stimmt, wenn ich etwa Dänemark anschaue, dass mit sehr viel weniger Spitälern bisher genauso gut abgeschnitten hat wie Österreich – gemessen an der Übersterblichkeit. Die Zahlen von Corona-Toten sind mangels Definition international nicht vergleichbar – am leichtesten ist das schon daran zu erkennen, wie weit die Zahlen pro Einwohner auseinanderliegen. Solange eine nationale Definition eingehalten wird, sind dies Zahlen für nationale Planungen und Kontrollen durchaus nützlich. Wir haben in Österreich keine stringente Definition, sondern offenbar eine sehr willkürliche, wie man ja schon daran erkennen kann, dass es zwei verschiedene Zahlen gibt, von denen behauptet wird, das eine sei „mit“ das andere „an“ Corona verstorben. Das geben aber diese Daten gar nicht her – eines sind Daten ans Innenministerium, das andere EMS-Daten – in beiden gibt es weder eine Epikrise noch anamnestische Angaben. Und weil es vermutlich peinlich wäre, wenn die Sozialversicherung (v.a. Pensionsversicherung) ihre Daten auch noch veröffentlichte, hätten wir vielleicht gleich drei differierende Zahlen.

 

In Deutschland werden leere Betten mit 560 Euro pro Tag vergütet, um sie für die Not parat zu haben. Ist das bei uns auch so? Ist das sinnvoll?

Wir haben in Österreich ein völlig anders System. Die Spitäler, die aktuell theoretisch enorme Einnahmeverluste haben, werden im Grunde ja rein steuerfinanziert. Ihre ebenso theoretischen Verluste werden sehr praktisch durch eine Defizitdeckung durch Steuergelder kompensiert werden

 

Menschen beginnen darüber zu klagen, dass sie als „Regelpatienten“ nicht dran kommen. Werden viele sterben, weil sie nicht „Corona Patienten“ sind?

Keine Ahnung! Da wir praktisch keinerlei Versorgungsdaten haben, werden wir Auswirkungen erst ablesen können, wenn wir im Jahr 2022 die Daten der Spitäler aus diesem Jahr sehen werden und auch die Übersterblichkeit über das Jahr hinweg betrachten – wir sind im Blindflug. Aber es wird so sein, dass etwa Herzinfarkte übertaucht wurden, und so die Zahl der herzinsuffizienten Patienten ansteigen wird – und die werden dann im Laufe des Jahres sterben.

 

Wie kann die Balance aussehen zwischen Regelbetrieb hochfahren und Kapazitäten freihalten, falls es zu einem neuen Anstieg an Infektionen kommen sollte?

Wir hätten den Regelbetrieb nie dermaßen runterfahren müssen, weil wir gemeinsam mit Deutschland, die best-ausgebaute stationäre Infrastruktur der Welt haben. Aber es hat sich nie jemand Gedanken gemacht – sondern eben einfach nur besonders streng das vollzogen, was andere Länder gemacht haben. Bis hin zum Aufbau von Lazaretten. Alles völlig unnötig – spätestens seit der zweiten März-Hälfte war das klar. Aber das Ziel, die Infrastruktur nicht zu überlasten, kam völlig abhanden – es ging nur mehr darum, SARS-CoV2-Infektionen zu vermeiden, egal was es „kostet“ – und es wird neben dem Geld, auch sehr viel Gesundheit gekostet haben

 

Wie soll die Finanzierung der Krankenhäuser künftig ausgestaltet sein? Den Versicherungen entgehen sehr viele Einnahmen durch die vielen Arbeitslosen und die Kurzarbeit.

Das ist egal. Die Spitäler erhalten einen fixen Prozentsatz der Kasseneinnahmen, der seit Jahren nur mehr höchstens 60% der Kosten deckt. Der Rest ist willkürliche Defizitdeckung durch Steuergelder. Und der Teil wird jetzt einfach steigen – sonst nichts.

 

Wir erfahren nun schmerzhaft, wie abhängig wir von China und anderen Ländern sind in Sachen Medikation, Schutzausrüstung und medizinischen Geräten. Ist es an der Zeit die Globalisierung zu überdenken? Was können und sollten wir in Österreich, oder zumindest in Europa produzieren?

Ich sehe das anders. Im Falle einer Pandemie, wird es immer Engpässe geben, ob wir nun die Produktion ins Inland verlagern oder nicht. Es ist ein Irrglaube, dass populistische Politik bereit ist, Ressourcen in Vorhalteleistungen zu allozieren – ein schönes Beispiel ist ja unser Bundesheer. Oder die Ressourcen in der CDC, die Trump gestrichen hat. Also wird es sehr rasch wieder zu einer globalisierten Wertschöpfungskette in allen Bereichen kommen – und das ist auch gut so.

 

 

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