Welche Spaltung?

Das Wort Spaltung sollte es zum Unwort dieses Jahres bringen, wenngleich es manche geradezu für das Schlüsselwort der Welterklärung in dieser Zeit zu halten scheinen.

„SPALTUNG“ ALS UNWORT DES JAHRES

Dass die amerikanische Gesellschaft „tief gespalten“ ist in Arme und Reiche, vor allem aber in solche, die im hellen Licht des  Fortschritts wandeln und denen, die in der Düsternis religiösen oder rassischen Vorurteils leben, lesen wir seit Jahren. Jetzt anlässlich des Präsidentschaftswahlkampfs gibt es in Donald Trump sogar eine leibhaftige Figur als Beweis dafür. Gespalten sind die USA in die Dummen am Land, die unbedingt ihre Waffe haben müssen und den Aufgeklärten in der Stadt, die die Abtreibung für ein Menschenrecht und die Homo-Ehe für den denkbar größten zivilisatorischen Fortschritt halten.

„Gespalten“ ist natürlich auch Großbritannien in Befürworter des Brexit und solche, die ihr Land weiter in der EU haben möchten. Dass es vielleicht – freilich sehr gewichtige und folgenreiche – Meinungsunterschiede sind, die politisch-plebiszitär entschieden werden, kommt gar nicht in Betracht.

VOR ALLEM ABER IST SIE GESPALTEN IN DIE GUTEN, DIE HUMANITÄR DENKENDEN, DIE LIBERALEN DEMOKRATEN UND DIE „RECHTEN“, GEGEN DIE MAN EIN GROSSES BÜNDNIS SCHLIESSEN MÜSSTE.

In Kontinentaleuropa sieht man überhaupt nur Spaltungen. Die EU ist gespalten in den Norden und den Süden und natürlich in solche, die für die „gerechte“ Verteilung von Migranten auf die einzelnen Staaten sind und die anderen, die sich dieser vermeintlichen Solidaritätspflicht entziehen. Sie ist gespalten in solche Staaten, die im Namen des Sozialen einer weiteren Verschuldung das Wort reden und solchen, die ohnehin nur in Maßen für eine Sparpolitik und ein nicht ständig „Über-seine-Verhältnisse-leben“ eintreten. Dass ausgerechnet die Letzteren die wirtschaftlich eklatant erfolgreicheren sind, sei nur nebenbei angemerkt.

Vor allem aber ist sie gespalten in die Guten, die humanitär Denkenden, die liberalen Demokraten und die „Rechten“, gegen die man ein großes Bündnis schließen müsse. Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien wird kann man sich nur dadurch erklären, dass „Volkes Meinung manipuliert wird“, wie die Chefredakteurin einer katholischen Frauenzeitschrift in  Oberösterreich schreibt. Dass „das Volk“ vielleicht die Dinge anders sieht als sie und daraus seine politischen Schlüsse zieht, darf es nicht geben.

DIE WELT GETEILT IN LICHT UND FINSTERNIS

In dieser Weltbetrachtung kommen linke Populisten wie in Griechenland und Spanien nicht vor. (Venezuela, wo ein sich selbst als sozialistisch bezeichnendes System gerade einen reichen Staat  zugrunde richtet, erwähnen wir nur nebenbei.)

Die Rhetorik von der „Spaltung“ lässt keinen demokratischen Diskurs mehr zu. Die Welt wird manichäisch eingeteilt in Licht und Finsternis. Mitte und Vernunft werden dabei zerrieben.