Interview mit Markus Binder

Am Hauptsitz des Unternehmens BT Group Holding in Gleisdorf traf Kathrin Nachbaur den Anteilseigner und Geschäftsführer Markus Binder. Die BT Group Holding gibt es schon seit 30 Jahren. Sie besteht aus vielen Subunternehmungen, die in den verschiedensten Bereichen tätig sind. Kathrin Nachbaur und Markus Binder unterhielten sich unter anderem über den Facharbeitermangel, die Arbeitszeitflexibilisierung, die Sonntagsöffnung und die Migration in Österreich.

Eingangs stellte Markus Binder die sehr diversifizierte BT Group Holding vor: Sie umfasst mehrere Unternehmen mit sehr vielen Bereichen. Insgesamt sprechen wir von 22 Subunternehmungen. Angefangen im Bereich der Intralogistik bis hin zur Abfallaufbereitung, die aber zutreffenderweise als Wertstoffaufbereitung bezeichnet wird.

Kathrin Nachbaur: Ihre Firma hat 500 Mitarbeiter, Sie sind in Österreich, in den USA, besonders auch in Ungarn aktiv und Sie haben auch Aufträge in China, also eine sehr diversifizierte große Firma. Sie brauchen natürlich viele gute Mitarbeiter, insbesondere Fachkräfte. Gibt es genug Facharbeiter bei uns?

„Circa 5 % unserer Mitarbeiter sind Lehrlinge.“

Markus Binder: In Österreich gibt es einen sehr, sehr großen Facharbeitermangel. Eine Möglichkeit an Facharbeiter zu kommen, ist, indem man Unternehmungen kauft und somit auch das Potential der Mitarbeiter. Die zweite Möglichkeit ist natürlich, selber Lehrlinge auszubilden. Das dauert natürlich eine Zeit, aber wir sind da sehr dahinter. Circa 5 % unserer Mitarbeiter sind Lehrlinge. Aber es wird immer schwieriger, weil sehr viele junge Menschen gerne studieren wollen. Und dort liegt wiederum das andere Problem: die fertigen Akademiker finden teilweise keinen Job, weil dieser Bereich in manchen Richtungen sehr, sehr übersättigt ist.

Kathrin Nachbaur: Was könnten wir tun, damit es wieder mehr Facharbeiter gibt? 

Markus Binder: Meiner Meinung nach wird es kurzfristig wahrscheinlich nicht viele Möglichkeiten geben. Man muss hier auf jeden Fall an der Bildungspolitik ansetzen. Den jungen Menschen muss gleich von vornherein näher gebracht werden, dass es sinnvoll ist, wenn man eine Facharbeiterausbildung macht. Dass hier mittlerweile auch eine Kombination mit Matura möglich ist. Dass man die jungen Leute vielleicht auch internationaler ausbildet. Ich kann hier ein gutes Beispiel aus einem unserer Subunternehmen bringen. Wie gesagt, die Gruppe gibt es jetzt seit 30 Jahren, wir haben einige Unternehmungen hinzugekauft, eines davon ist die BT Watzke, gegründet 1892. Dort hat ein junger Mensch als Hilfsarbeiter angefangen, nach einem Jahr wurde er Lehrling, mittlerweile ist dieser Mann bei uns Geschäftsführer. Dass auch dieser Weg möglich ist muss vermittelt werden. Und da muss man einfach schauen, dass man in der Bildung dementsprechend die richtigen Wege geht und auch das Geld richtig einsetzt. Außerdem würde ich auch noch gerne daran erinnern, früher gab es noch am Samstag Schule. Ich habe insgesamt 48 Schulstunden in der Woche gehabt. Es gab viele Fächer, die zur Allgemeinbildung beigetragen haben. Mittlerweile wurde so viel Wertvolles reduziert und gestrichen.

Kathrin Nachbaur: Sie kritisieren unser Bildungssystem?

„Man muss aber heute viel internationaler denken und die Jugend auch entsprechend ausbilden.“

Markus Binder: Ja, es wurden etliche Stunden einfach runtergestrichen, Fächer gibt es dann dementsprechend natürlich nicht mehr. Und wie soll dann die Ausbildung besser werden? Zum Vergleich zur damaligen Zeit als mein Vater noch in die Schule ging, in die HTL, hat es noch Französisch gegeben, als Hauptfach, mittlerweile wird es schon schwierig mit Englisch. Man muss aber heute viel internationaler denken und die Jugend auch entsprechend ausbilden.

Kathrin Nachbaur: Sie sind ein international tätiger Konzern und auch ein wichtiger Arbeitgeber hier in der Region. Bekommen Sie genug arbeitswillige Leute? Österreich hat einen großzügigen Sozialstaat. Stimmt das Verhältnis? Ist der Anreiz groß genug hier arbeiten zu gehen?

Markus Binder: Meiner persönlichen Meinung nach nicht. Also es gibt gewisse Berufsfelder, wo man überhaupt keine österreichischen Arbeitskräfte mehr findet, das ist so. Oder es ist zumindest sehr, sehr schwierig.

Kathrin Nachbaur: Die Regierung hat vor, noch diesen Herbst ein wirtschaftsfreundliches Paket zu präsentieren, unter anderem spricht man von Arbeitszeitflexibilisierung. Ist Ihnen das auch ein Anliegen? 

„Man sollte darüber nachdenken, ob man die Geschäfte nicht auch am Sonntag öffnen könnte.“

Markus Binder: Natürlich, das ist sehr wichtig. Aber nicht nur die Arbeitszeitflexibilisierung, sondern auch, dass man drüber nachdenkt, ob man die Geschäfte nicht auch am Sonntag öffnen könnte.  Wenn ich mir heute zum Beispiel Tankstellen anschaue; in einer Tankstelle kann man mittlerweile  so ziemlich alles machen. Von Post aufgeben und Post abholen bis hin zum täglichen Einkauf. Natürlich ist es teurer, aber die verdienen sich ziemlich gutes Geld damit und warum sollte man nicht am Sonntag die Geschäfte aufmachen. Das heißt jetzt nicht, dass man sagt, man muss 24 Stunden offen haben, sondern, dass es die Möglichkeit gibt, ein Geschäft am Sonntag zu öffnen. Ich hab dieses Thema schon hier mit  lokalen Politikern angesprochen, und die meinen, es muss einfach einen freien Tag für die Familien geben. Nur habe ich das Ganze dann umgedreht und gesagt, dann machen wir das. Die Ärzte und die Polizisten bekommen am Sonntag auch frei und wenn jemand am Sonntag im Krankenhaus liegt, hat er Pech gehabt. Es soll viel mehr auf betrieblicher Ebene zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern direkt gelöst werden können.

Kathrin Nachbaur: Sie schicken ja viele Leute auf Montage, wie schaut es da aus mit der Arbeitszeit?

Markus Binder: Ich bin natürlich dafür, dass man die maximale tägliche Arbeitszeit nicht überschreitet, weil langes Arbeiten auch ein Unfallrisiko birgt. Aber zumindest bei Auslandseinsätzen, vor allem in Krisengebieten, was bei uns vorkommt, zum Beispiel in Venezuela, wäre es sicher auch im Sinne des Mitarbeiters, wenn die Montage bald erledigt ist und er wieder heimfliegen kann. Wenn man aber hier sagt, die 60 Stunden pro Woche dürfen nicht überschritten werden, daher muss der Mitarbeiter am Sonntag ruhen, dann ist das halt sehr schwierig. Der fragt sich ja selber, was macht er dann den ganzen Tag lang? Er kann sich im Hotel einsperren. Mein Anliegen wäre hier, dass man das ein bisschen auflockert. Wie gesagt die Arbeitssicherheit muss natürlich immer gegeben sein.

Kathrin Nachbaur: Es wäre bestimmt in vielen Fällen den Mitarbeitern ein großes Anliegen mit der Montage zeitig fertig zu werden, damit man früher wieder nach Hause reisen kann. 

Markus Binder: Genauso ist es. Grundsätzlich würde er dann früher wieder nach Hause fahren.

Markus Binder mit Gerald Kreiner, Geschäftsführer der BT-Anlagenbau GmbH & Co. KG

Markus Binder mit Gerald Kreiner, Geschäftsführer der BT-Anlagenbau GmbH & Co. KG

Kathrin Nachbaur: In Österreich sprudeln die Steuereinnahmen, wir haben sogar Rekordeinnahmen. Der Staat sitzt auf so viel Geld wie nie zuvor, aber trotzdem reicht es scheinbar nicht aus, es wird immer mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Wo sollte man da ansetzen? 

„Ich finde, dass die Verwaltung einfach zu groß ist.“

Markus Binder: Ich finde, dass die Verwaltung einfach zu groß ist, in jedem Bereich. Wenn man sich nur die neun Länder anschaut; die ganzen Ländergesetzgebungen sind meiner Meinung nach nicht notwendig. Man kann das alles irgendwo vereinheitlichen. Bei den Sozialversicherungsträgern ist es dasselbe Thema. Wir haben über 20 Sozialversicherungsträger in Österreich. Es gibt in Österreich das Gleichbehandlungsgesetz, aber wenn man sich die Sozialversicherungsträger anschaut, da gibt es auch sehr, sehr viele Unterschiede bei den  Leistungen und ob das zwingend notwendig ist, ist fraglich. Genauso bei den Leistungen, die man bekommt. Ich bin der Meinung, wenn man das ein wenig einschränken würde, natürlich mit einer passenden Regelung, zum Beispiel, dass der Sozialleistungsempfänger einen gewissen Selbstbehalt zahlen muss, so wie bei der SVA und der BVA, gäbe es wahrscheinlich auch weniger schwarze Schafe, die das System ausnutzen.

Kathrin Nachbaur: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen in welchen sich die Wirtschaft zu bewegen hat. Sie stehen im internationalen Wettbewerb, welche Rahmenbedingungen würden Sie sich wünschen? 

Markus Binder: (Schmunzelt) Da gibt es sehr viele Themen. Zum ersten  sind wir in der Europäische Union  und da denkt man immer, das ist eine wirtschaftliche Freihandelszone. Aber da gibt es wieder sehr viele Ausnahmefälle. Vor allem mit der Steuer; vielleicht sollte man das komplette Steuersystem in der EU vereinheitlichen, denn da muss man wirklich aufpassen, wenn man Zulieferer hat bzw. Aufträge in der EU abwickelt. Ein weiteres Thema: Wenn heute ein Gewerbegebiet bzw. ein Industriegebiet gewidmet wird ist das trotzdem keine sichere Angelegenheit. Hier sollte nach Widmung keiner mehr Einspruch leisten können, sonst braucht man für ein Bauprojekt oft 2 bis 3 Jahre. Das sind halt alles Rahmenbedingungen, die müssen geschaffen werden.

Kathrin Nachbaur: Zum Schluss noch ein Weltpolitisches Thema. Stichwort Migration, Flüchtlingskrise. Es wollen laut Doha Studie noch viele Hunderte Millionen Menschen nach Europa. Wir haben großzügige Sozialsysteme, die natürlich attraktiv sind. Wie sollte man das lösen? 

„Man sollte so eine Art Green Card System schaffen.“

Markus Binder: Ich glaube man muss zuerst schauen, was überhaupt möglich ist. Es ist ja nichts schlechtes, dass diverse Migranten ins Land kommen, aber die sollten schon qualifiziert sein. Man sollte so eine Art Green Card System schaffen, bei dem man einfach schaut, was das Land gerade braucht. Ein Teil würde dann an Menschen mit diesen Voraussetzungen vergeben werden. Zum Beispiel: wir brauchen gerade viele Ärzte, dann haben die einen Vorrang, die diese Ausbildung haben. Und einen gewissen Anteil dieser Green Cards, ich will jetzt keine Zahlen nennen, sollte verlost werden, so hätte jeder die Chance. So würde ich das einfach einmal einschränken. Und dann gibt es noch das zweite Thema. Das ist eben diese kurzfristige Unterstützung, wie es sie auch schon anno dazumal gegeben hat, für den Fall, dass Krieg herrscht.  Aber das muss man sich gesondert anschauen und sagen, ok, für diesen Zeitrahmen können wir Hilfe leisten, aber das muss natürlich auch gedeckelt sein. Jedes Land muss da das gleiche leisten. Es kann nicht sein, dass ein Land oder wenige Länder die ganze Last tragen, sondern es müssen die gleichen Voraussetzungen in den jeweiligen EU Ländern geschaffen werden.

Kathrin Nachbaur: Herr Binder Sie haben vollkommen Recht, es muss einmal unterschieden werden, zwischen Einwanderung und Asyl, das wird leider Gottes oft vermischt und ein Green Card System wäre sicher gut zur kontrollierten Zuwanderung. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.