Ach wie wurde dieses Foto in der Presse gefeiert, als bei den Olympischen Spielen die beiden deutschen Beach-Volleyballerinnen Kira Walkenhorst und Laura Ludwig in gewohnt knapper Kleidung gegen das Team aus Ägypten spielten und ihre Gegnerinnen am Netz komplett eingekleidet erschienen. Islam meets sports oder so ähnlich. Das Bild am Netz hat Potential, das Bild des Jahres zu werden. Vielen dürfte es in Erinnerung geblieben sein, wie der Bikini-Westen am Netz auf den Verschleierungs-Islam prallte. Besser hätte man die Diskrepanz der weltweiten Frauenrechte bildlich nicht darstellen können.
Neben den wenigen Stimmen, denen eher ein kalter Schauer über den Rücken lief, freuten sich Viele an diesem Bild, allerdings aus völlig unterschiedlichen Motivationen. Die einen feierten, dass die Bekleidungs-Richtlinien der Sportverbände endlich dahingehend geändert wurden, dass die Volleyballerinnen nicht mehr gezwungen sind, so sexistisch unbekleidet als Glotzobjekte auf dem Sand zu stehen. Schließlich wissen wir alle, da sitzen nur männliche Gaffer an den Bildschirmen, die auf knappe Höschen starren wollen und nicht wirklich Sportinteressierte. Sagt man jedenfalls. Zweitens wurde auch gefeiert, dass die Lockerung der Kleidervorschriften endlich ermöglicht, dass auch Musliminnen aus der ganzen Welt endlich an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können, weil ihr Wunsch nach Kopftuch und/oder Ganzkörperbekleidung nicht mehr länger ein Hindernis darstellt. Was für eine neu gewonnene Freiheit für Musliminnen weltweit, möchte man meinen.
Stellt euch nicht so an, bedeckt euch und zeigt Respekt.
Wer die Zwangs-Verschleierung aus religiöser Motivation schön redet oder gar zu einem neuen Freiheitsgewinn hochschreibt, sorgt aber mit dafür, dass Verschleierung zu einer Selbstverständlichkeit wird. Der sorgt an anderer Stelle dafür, dass andere Sportlerinnen gezwungen werden sollen, sich zu verschleiern, weil ein internationaler Wettkampf in einem muslimischen Land mit Kopftuchzwang stattfindet, was selbstredend und selbstverständlich auch für die internationalen Teilnehmerinnen gelten soll. Denn da das Kopftuch kein politischer Aufreger mehr ist, ruft man jetzt Frauen zu: Stellt euch nicht so an, bedeckt euch und zeigt Respekt. Die Rede ist von der Schach-Weltmeisterschaft der Damen, die im Jahr 2017 im Iran stattfinden soll und jetzt in die Diskussion gerät, nachdem den Teilnehmerinnen klar wird, dass sie gerade die Wahl haben, ob sie mit Kopftuch teilnehmen, oder eben gar nicht. Die Freiheit der muslimischen Frau, sich im Westen verschleiern zu dürfen, wird aus der muslimischen Welt eben nicht mit der Freiheit der Nicht-Verschleierung von Nicht-Muslimas beantwortet, sondern mit Friss-oder-stirb-Rhetorik.
Das Gefecht der Verschleierung
Ausgerechnet beim wenig sportlichen Schachspiel wird das Gefecht der Verschleierung nun erstmals auf internationalem Parkett so offen ausgetragen und man muss leider sagen, in einer erbärmlichen Art und Weise. Denn statt Unterstützung für die freien Frauen des Westens, die sich nicht den religiösen Vorschriften fremder Länder unterwerfen wollen, wird stattdessen der Schwanz eingezogen, wo eigentlich Flaggezeigen gebraucht würde. Der Präsident des Deutschen Schachbundes, Herbert Bastian, gibt als offizielle Meinung seines Verbandes kund, der Schachsport wolle „den Dialog der Kulturen“ fördern. Deswegen würden Veranstaltungen eben auch in Ländern stattfinden, die für die westliche Welt mitunter „fremde kulturelle Gewohnheiten“ mit sich bringen. Ich weiß nicht, ob Steinigung und Auspeitschungen auch unter „Kultur“ fallen, dazu sagte Bastian nichts, er beschränkt sich auf das Kopftuch. Und da sagt er, schließlich sei es eine „persönliche Entscheidung“ jeder Teilnehmerin, ob sie sich diesen Regelungen „unterwirft“. Da darf man natürlich gespannt sein, ob der deutsche Schachbund auch hilft, wenn eine Teilnehmerin kulturell verschieden verhaftet wird, weil sie kein Kopftuch bei der Schach-WM trägt. Vielleicht bezahlt man ihr dann einen Anwalt oder ruft zumindest bei der Botschaft für sie an. Ist ja dann auch ein interkultureller Dialog.
Es sei eben nicht nur eine Frage des Respekts vor fremden Kulturen.
Die Schachspielerinnen, die es betrifft, sehen das deutlich realistischer als ein Herr Bastian, der das in seinem weichgespülten Statement schönredet, und diskutieren offen einen Boykott dieser Weltmeisterschaft. Sie werfen dem Sportverband vor, die Diskriminierung von Frauen zu billigen, indem sie wissentlich ein Turnier in ein Land vergeben haben, das gesetzlich ein Kopftuch verlangt. Darunter etwa Carla Heredia aus Ecuador oder auch die amerikanische Meisterin Nazi Paikidze-Barnes. Diese bringt es in einem Interview mit dem Daily Telegraph auf den Punkt: „Wenn ich Auflagen dort nicht erfülle, kann ich sofort inhaftiert werden.“ Es sei eben nicht nur eine Frage des Respekts vor fremden Kulturen.
Wenn man den Damen doch hübsche Tücher anbietet, da verschleiert Frau sich doch gerne.
So hatte es allen Ernstes übrigens eine Frau formuliert und zwar nicht irgendeine, sondern Susan Polgar von der Kommission für Frauenschach. Diese hat die Spielerinnen dazu aufgerufen, die „kulturellen Differenzen zu respektieren“. Sie selbst würde ja, wenn sie fremde Kulturen besuche, diesen ihren Respekt zeigen, indem sie sich nach der Tradition des Landes anziehe. Sie muss einen großen Kleiderschrank haben, gibt sie doch an, inzwischen 60 Länder bereist zu haben. Sie sagt, niemand zwinge sie dazu, sie mache das freiwillig aus Respekt. Und dann lässt sie die Schachdamen noch wissen, dass sie glaube, dass die Organisatoren den Spielerinnen bei dem Turnier bestimmt „eine schöne Auswahl“ an Kopftüchern zur Verfügung gestellt hätten. Na dann ist ja alles gut. Wenn man den Damen doch hübsche Tücher anbietet, da verschleiert Frau sich doch gerne.
Man weiß nicht, worüber man mehr empört sein soll, über das dämliche Ausweichen des deutschen Verbandes, der auch noch wider besseren Wissens verbreitet, dass die Spielerinnen eine Wahl hätten, oder dass es wieder einmal eine Frau ist, die der Zwangsverschleierung von Frauen nach dem Mund redet, anstatt sich klipp und klar hinzustellen mit den Worten: „Nicht mit unseren Frauen“.
Ein Krieg der Werte
Wir kennen es bislang nur aus anderen Sportarten wie Fußball, dass man das Gefühl hat, dass die Vergabe von Turnieren gerne über Menschenrechte und Politik hinwegsieht, wie anders wäre eine Fußball-WM in Katar zu erklären, als mit zwei geschlossenen Augen hinsichtlich Politik, Menschenrechte, Frauenrechte und Korruption. Nun ist es im Frauensport auch angelangt im eher unschuldigen Schach, ein Nischensport. Aber ein Kriegsspiel. Zumindest das passt, denn hier wird ein Krieg der Werte ausgetragen. Umso wichtiger, dies Thema hier exemplarisch zu lösen, denn es wird nicht das letzte Mal sein, dass dies Problem im internationalen Sport auftaucht. Es gibt viele Frauensportwettkämpfe weltweit. Die freien Demokratien müssen hier zu einer einheitlichen Haltung kommen. Auch im Sport.
Für Länder, die an der Gleichberechtigung der Frau nicht nur auf dem Papier festhalten, gibt es indes nur eine Lösung: Entweder die internationalen Teilnehmerinnen können ohne Kopftuch im Iran antreten, oder es werden eben keine internationalen Sportveranstaltungen im Iran ausgetragen. Und auch nicht in anderen Ländern, in denen man Frauen Vorschriften macht, was sie bei Ausübung ihres Sports tragen sollen, um religiösen, pardon, „kulturellen“ Ansprüchen zu genügen. Oder wollen wir die Freiheit der Frauen jetzt durch Sportfunktionäre verscherbeln lassen?