Es hat etwas rührend Hilfloses, wenn Angela Merkel Donald Trump zu einem „respektvollen Umgang“ auffordert. Wieso sollte jemand, der Hillary Clinton im Wahlkampf verhöhnt und mit gerichtlichen Klagen bedroht hat, vor Merkel oder anderen europäischen Politikern mehr Respekt haben?
Bis zur bizarren Rede Trumps nach seiner Angelobung am vorigen Freitag haben viele Leute in Europa gehofft, es werde schon nicht so schlimm kommen wie man befürchten musste. Trumps Ankündigungen seien bloße Wahlkampfrhetorik gewesen. Einmal im Amt werde er, konfrontiert mit der komplexen Wirklichkeit der Wirtschaft und der internationalen Beziehungen, bald seine großspurigen Ansagen vergessen haben und „vernünftig“ werden. Dafür würden auch seine Berater sorgen, der Kabinettschef oder vielleicht auch sein religiöser Vizepräsident, ein erfahrener Parlamentarier und Gouverneur.
Falsche Einschätzung der Person
Diese Hoffnung beruhte auf einer falschen Einschätzung der Person. Die Rede Trumps auf den Stufen des Kapitols war ein Kunstwerk politischer Prosa: In einhämmerndem Stakkato fasste sie seine einfache Botschaft prägnant zusammen. Ein amerikanischer Präsident kann in dieser Stunde zu allen großen Themen seines Landes und der Welt etwas sagen, muss es aber nicht. Man sollte sich nur gewiss sein dürfen, der Präsident hat das alles im Kopf, es kommt ihm in diesem Augenblick aber nur auf eines an. Die größten politischen Reden in der Geschichte der USA waren ähnlich kurz. Am kürzesten war die bedeutendste, Lincolns Gettysburg adress am blutigsten Schlachtfeld des Bürgerkriegs.
Die Normalität der Ungewissheit
Schrecklich wurde Trumps Rede erst dadurch wie er sie vortrug. Da wurde man plötzlich gewahr, dass das alles ist, was er will und dass er auch nicht viel mehr weiß. Er ist sich genug. Jetzt sollte der Welt endgültig klar sein, wie sie mit ihm dran ist. Es ist die „Normalität des Erratischen“, wie es Karl-Theodor zu Guttenberg, der jetzt in den USA lebt, nennt. Die Normalität der Unwissenheit und dementsprechend der Verachtung aller Erfahrung und aller Regeln.
Wenn die europäischen Politiker, geübt im Verdrängen der Wirklichkeit, jetzt glauben sollten, sie könnten diese ihre Lebensweise auch im Umgang mit Trump praktizieren oder gar, ihn irgendwie mit moralischen Vorhaltungen umzuerziehen („Seien sie doch respektvoll, Herr Präsident“) wäre das lächerlich und gefährlich. Es würde ihn nicht im geringsten beeindrucken und ihn nur dazu verleiten, die Europäer für schwach und feig zu halten – was sie meistens auch sind.
Europa muss seine eigenen Interessen mit aller Härte vertreten.
Europa muss sich nun klar über seine eigenen Interessen werden und sie mit aller Härte und Entschlossenheit vertreten. Das gilt sowohl in Handelsfragen wie auch in der Verteidigung. Bei letzterer sind die Europäer aber in keiner bequemen Lage: Stalin hat bekanntlich spöttisch gefragt, wie viele Kanonen der Papst habe, um dessen Machtlosigkeit zu beschreiben. Es könnte gut sein, dass Trump die Europäer fragt, wie viele Raketen sie denn haben – sprich wie viel sie bereit sind, zu ihrer eigenen Verteidigung beizutragen anstatt sich nur auf die USA zu verlassen.
Soviel ist von Trump bekannt: Jemandem, der ihm mit Bestimmtheit und Selbstbewusstsein gegenübertritt, versagt er seinen Respekt nicht und der kann etwas bei ihm erreichen. Das ist dann aber eine andere Art von „dealmaking“ als sie im EU-Europa der faulen Kompromisse üblich geworden ist.