Medien und Information – DDR reloaded? Irgendwann kippt das System.

Das Bestehen und die Weiterentwicklung einer jeden organisatorischen Einheit wird maßgeblich durch dessen Informationsmanagement gewährleistet. Gewöhnlich kontrolliert die Verwaltung der organisatorischen Einheit die Durchlässigkeit und Interpretation von Informationen, und sie bedient sich zu deren Verbreitung effizienter Meinungsbildner. Auf diese Weise werden gemeinsame Werte einer Gesellschaft definiert und verankert.

Eine organisatorische Einheit bleibt stabil, solange eine kritische Masse an Mitgliedern den Meinungsbildnern folgt und die allgemeinen Werte mitträgt.

Politische Entscheidungsträger kennen diesen Zusammenhang sehr genau und nutzen das Informationsmanagement als Machtinstrument. In letzter Zeit verstärkt sich nicht nur in Österreich jedoch der Eindruck, dass dieses Machtinstrument den Regierungen zunehmend entgleitet.

Wie kommt dieser Eindruck zustande?

Seit der Jahrtausendwende lässt sich eine zunehmende Gleichschaltung der Medien im gesamten deutschsprachigen Sprachraum beobachten. Printmedien veröffentlichen auf ihrer Titelseite stets dieselben Bilder, Schlagzeilen und Texte. Mantra-artig wird versucht, die Meinung des Volkes zu manipulieren.

Beispiele sind das vielzitierte „Wir schaffen das!“ der deutschen Bundeskanzlerin, das Bild des traumatisierten, blutüberströmten Fünfjährigen im Rettungswagen des Sanitätsdienstes in Aleppo oder die Parteiergreifung für Clinton vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Berichterstattung über unliebsame Vorkommnisse werden der Öffentlichkeit vorenthalten.

Mantra-artig wird versucht, die Meinung des Volkes zu manipulieren.

Eindrückliches Beispiel war der Umgang mit den Geschehnissen in der Silvesternacht in Köln. So entsteht und verfestigt sich der Eindruck der manipulativen Berichterstattung.

Ein anderes Beispiel ist die Manipulation der öffentlichen Meinung über Talk Shows, Interviews und Diskussionsrunden. Bereits die Auswahl der Gesprächspartner unterstreicht, in welche Denkrichtung die Diskussion gehen soll. Verdeutlicht werden soll die Aussage mit folgendem Beispiel: In Oberösterreich errang die FPÖ bei den Landtagswahlen 2015 einen Stimmenanteil von 30,4%. Die SPÖ errang im Vergleich dazu einen Stimmanteil von 18,4%. In diesem Zusammenhang wirkte es nahezu verstörend, dass die Wiener SPÖ die Bühne bekam, in einem Interview als rechtpopulistische Partei (bewertende Aussage!) zu bezeichnen und auf den Ausschluss der FPÖ aus der oberösterreichischen Regierung bestand. So entsteht der Eindruck, dass ‚das Establishment’ die Meinung des weder sehen noch respektieren will.

Zudem werden in der Presse vorwiegend Themen diskutiert, die für den durchschnittlichen Bürger eher abstrakt und schwer in einen persönlichen Kontext zu bringen sind. Beispiele dafür sind die Diskussionen um die Rettung Griechenlands, den Austritt Englands aus der Europäischen Union oder die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich die Regierung bevorzugt den Themen auf der Weltbühne zuwendet und die Sorgen des eigenen Volkes zurückstellt.

Es entsteht der Eindruck als würden sich Regierungen bevorzugt den Themen der Weltbühne zuwenden und die Sorgen des eigenen Volkes zurückstellen.

Wichtig wäre es daher Themen aufzugreifen, mit denen sich die Bevölkerung identifizieren kann. Zum Beispiel erleben nicht alle Menschen den tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel positiv. Ausbildungs- und Arbeitsplätze in ländlichen Regionen verschwinden, die Kinder ziehen weg und mit ihnen die Enkel, die Versorgungssicherheit und die Lebensfreude. Haus und Hof verlieren an Wert. Die regionale Kultur verschwindet. Finden sich diese Themen nicht in der Presse wieder, fallen die Lebenswirklichkeit der Menschen und die Abbildung der Welt in der Presse bedrohlich auseinander.

Von den immer gleich interpretierten Meldungen müde und vor der Irrelevanz der Themen enttäuscht, suchen sich die Menschen neue Quellen der Information. Diese finden sie zunehmend öfter im Internet; dort gibt es eine schier unüberschaubare Zahl an Blogs, Foren und Videokanälen, deren Inhalte sich kostenfrei konsumieren lassen. Dabei ist es ihnen nicht wichtig, ob die Quellen vertrauenswürdig sind. Auf diese Weise findet eine Vielzahl von Ideen ihre Verbreitung und es wird zunehmend schwieriger, die kritische Masse für eine kontinuierliche Entwicklung der Gesellschaft zu erreichen.

In diesem Zusammenhang hört man immer wieder den Begriff der ‚Fake News’. Offenbar denkt die Regierung darüber nach, die Verbreitung bestimmter Informationen zu unterbinden. Sie wendet sich dabei an Plattformbetreiber wie Facebook und fordert zum Löschen von Diskussionsbeiträgen auf. Darüber hinaus denkt die Regierung laut über eine entsprechende Anpassung der Gesetze nach. So verständlich und notwendig die gerichtete und zeitgerechte Bereitstellung verifizierter und möglichst neutral formulierter Informationen auch ist – durch Forcierung der oben erwähnten Maßnahmen könnte sich die Regierung dem Vorwurf der Zensur aussetzen.

Gibt es Gleichnisse in der jüngeren Geschichte?

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Pressedienst der Bundesrepublik Deutschlands nicht müde, die Auswahl der Informationen und deren Interpretation durch DDR-Pressedienste als Propaganda zu bezeichnen. Sie beklagte die Gleichschaltung der Medien in der DDR und prangerte die Zensur von Informationen an. In selben Atemzug beanspruchte der Pressedienst der BRD die Rolle des Aufklärers und Hüters der Wahrheit für sich.

Aus der Perspektive des Informationskonsumenten hatte man in der DDR freilich einen eher pragmatischen Zugang zu Propaganda und Zensur. Ein kurzer Blick auf die Schlagzeilen der „Volksstimme“ genügte, um das Wesentliche zu erfassen. Die Nachrichten in Funk und Fernsehen versorgten die Bevölkerung mit der gewünschten Denkrichtung. Interessant war sodann ein Abgleich mit der Darstellung der Ereignisse durch westdeutsche Medien. Es stand dem ostdeutschen Bürger also ein Korrektiv zur offiziellen Meinung zur Verfügung, das ihn in die wunderbare Lage versetzte, sich ein unabhängiges Weltbild zu schaffen. Zusammen mit den Erfahrungen aus der eigenen Erlebniswelt entstand eine Vielfalt an private Wahrheiten, die weder zur Gänze der einen (DDR), noch mit der anderen (BRD) Wahrheit entsprachen.

Das politische System der DDR wurde instabil, als die persönliche Erlebniswelt zunehmend weniger mit der offiziellen Meinung zusammenpasste. Die Diskussion darüber wurde mehr oder weniger subtil unterdrückt. „Abweichler“ wurden in eine ideologisch verpönte Ecke gestellt, zu Lehrgängen verpflichtet, bespitzelt, entwurzelt oder eingesperrt.

Das politische System wurde gestürzt.

Es wäre nun hohe Zeit gewesen, das Informationsmanagement der DDR-Regierung anzupassen. In erster Linie wäre es darum gegangen, die Lebenswahrheit der Bürger zu erkennen und zu würdigen. Dieses hätte durch eine moderierte und sanktionsfreie Diskussion in Presse, Rundfunk und Fernsehen geschehen müssen. Stattdessen wurden die Verhältnisse im Land prekärer, die Erfolgsmeldungen penetranter und die Unterdrückung der persönlichen Meinung gnadenloser. Es kam, wie es kommen musste: die offiziellen Meinungsmacher konnten die notwendige kritische Masse nicht mehr hinter sich vereinen. Das politische System wurde gestürzt.

Was leitet sich daraus ab?

Die aktuelle Situation der Presse ist herausfordernd und die Unruhe in der Bevölkerung erinnert an den Vorabend der Wende. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Regierung sollte die Hoheit über das Informationsmanagement nicht an die Cloud abgegeben. Sie muss alles dafür tun, um das Interesse an und das Vertrauen in die etablierten Medien zu stärken. Dafür wäre eine höhere Durchlässigkeit für Informationen aus verschiedenen Quellen wünschenswert.

Die Freiheit des Journalismus muss wieder mehr Bedeutung erlangen.

Die Freiheit des Journalismus muss wieder mehr Bedeutung erlangen. Dabei dürfen dem Leser durchaus abweichende Interpretationen eines Ereignisses in den unterschiedlichen Medien zugemutet werden.

Es ist darüber hinaus wichtig, dass eine kritische Masse den Meinungsbildnern folgt. Das setzt voraus, dass diese sich mit den tagesaktuellen Themen der Bevölkerung auskennen und speziell darauf eingehen. Die aktuelle Presse scheint zu entfernt von der Bevölkerung und zu nah an der politischen Elite zu sein, als dass sie diese Aufgabe wahrnehmen könnte.

Die aktuelle Presse scheint zu entfernt von der Bevölkerung zu sein.

Aus diesem Grund wäre es dringend anzuraten, das Informationsmanagement neu aufzustellen.

Ein letzter Gedanke soll den Abschluss für diesen Artikel bilden: Ob ein „Empfänger“ offen für Informationen ist, hängt maßgeblich von der persönlichen Situation des „Empfängers“ ab. Aus diesem Grund ist das Wahrnehmen und Berücksichtigen der Bedürfnisse der Bürger eine weitaus wirksamere Waffe gegen „Fake News“ und Hetze im Netz, als jede Form der Zensur.