„Wie Du kommst gegangen, …“ – Gedanken zur Rolle der Kleidung in unserer Gesellschaft

Jede Gemeinschaft hat ihre Konventionen. Es sind Normen für ein sozial anerkanntes Ver­halten, einen üblichen Sprachegebrauch, Humor, Ordnung oder auch das Gerechtigkeitsempfinden. Eltern und Großeltern vermitteln die gesellschaftlichen Normen umfassend und frühzeitig. Ihr Nachwuchs soll als respektiertes Mitglied einer gesellschaftlichen Schicht in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Lebenschancen und Wohlstand sollen ihm so gesichert werden.

Kleidung, Körperschmuck und körperliche Verfassung sind Teil dieser Konventionen. Stoffe, Farben und Stilelemente symbolisieren Zusammengehörigkeit und unterstreichen den Status einer Person in der Gemeinschaft.

Qualifikation Anwesender schnell und eindeutig erkennen

Ein Beispiel: In medizinischen Einrichtungen kann es wichtig sein, die Qualifikation anwesender Personen schnell und eindeutig zu erkennen. Um dieses zu gewährleisten tragen Ärzte, Fachpersonal und Dienstleister des Unternehmens Dienstkleidung, welche in ihren Merkmalen deutlich von den Standards ziviler Kleidung abweicht und es Außenstehenden ermöglicht, das Personal der medizinischen Einrichtung als solches zu identifizieren. Die Dienstkleidung signalisiert, dass diese Personen den Konventionen der medizinischen Einrichtung unterliegen. Ärzte, Fachpersonal und Dienstleister werden aus der zivilen Gemeinschaft herausgelöst und die Kleidung informiert die Gemeinschaft der Patienten, Patientinnen und Besucher über die Änderung der Zugehörigkeit.

Das Bekenntnis zu einer Gemeinschaft geht einher mit der Abgrenzung von anderen Gemeinschaften. Es kann zeitlich scharf begrenzt und im Kontext mit einer spezifischen Arbeits- oder Lebenssituation erfolgen. So bekennen sich beispielsweise Straßenarbeiter, Soldaten, Rote-Kreuz-Helfer oder Manager über ihre Berufskleidung nicht immer freiwillig und oft nur temporär zu einer beruflichen Gemeinschaft. Das Bekenntnis zu einer bestimmten zivilen Gemeinschaft erfolgt jedoch als Privatperson und ist daher rein freiwillig und oft auch dauerhaft. Unter dieser Annahme darf nun versucht werden, aus der Renaissance der Trachtenmode, dem vermehrten Tragen von Kopftüchern, oder auch der Ausbildung einer bestimmten Form von Bärten die Trends und Entwicklungen in der Geisteshaltung der deutschsprachige Gemeinschaften abzuleiten.

Kopftuch und Niqap als Symbol der Unterdrückung?

Am 16.02.2017 diskutierte Sebastian Kurz mit der Feministin und Islamkritikerin Alice Schwarzer, der Religionspädagogin Nadire Mustafi, sowie dem Historiker und Schriftsteller Doron Rabinovici aktuelle Integrationsfragen („Talk im Hangar- 7“). Die Diskussion wurde über lange Strecken von der Interpretation des Kopftuchs oder der Vollverschleierung aus westlicher Sicht dominiert. Kopftuch und Niqap wurden zum Symbol für die Unterdrückung der Frau in den Religionsgemeinschaften des islamischen Glaubens.

Nadire Mustafi, Mitglied der islamischen Religionsgemeinschaft und überzeugte Trägerin des Kopftuchs aus religiösen Gründen, wehrte sich vehement gegen diese Interpretation. Sie begreift sich als Feministin und Botschafterin für Religionsfreiheit. Ihre Bemühungen um ein friedliches Nebeneinander der Religionen, ihre veröffentlichte Meinung zu Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frau und Mann und ihre Verpflichtung als Botschafterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft zeugen von Nadire Mustafi’s Aufrichtigkeit. Ungeachtet dessen muss das Tragen des Kopftuchs als das interpretiert werden, was es ist:

Sichtbare Abgrenzung zur mehrheitlich katholischen Gemeinschaft

Nadire Mustafi bekennt sich durch das Tragen des Kopftuchs zur Religionsgemeinschaft des Islamischen Glaubens und grenzt sich dadurch sichtbar von anderen Gemeinschaften ab. Sie möchte dezidiert nicht einer – beispielweise – mehrheitlich katholischen Gemeinschaft angehören. Aus Sicht einer mehrheitlich katholischen Gemeinschaft würde sich aus der sichtbaren Abgrenzung die Frage nach dem Erfolg von Integrationsbemühungen ergeben.

Warum aber ist das so? Warum grenzen sich Menschen mit Migrationshintergrund, teilweise bereits in dritter Generation in der westlichen Gemeinschaft lebend, von dieser ab? Warum gelingt es zunehmend weniger, Menschen aus anderen Gemeinschaften von den Werten der westlich geprägten Gemeinschaft zu überzeugen? Sind diese Werte objektiv betrachtet nicht erstrebenswert? Oder erwies sich die aufnehmende westliche Gemeinschaft als zu undurchlässig für Migranten und deren Nachfahren? Und wie wird sich die aufnehmende Gemeinschaft tendenziell entwickeln: Wird sie eher toleranter und durchlässiger? Ein Blick auf die Entwicklung der Alltags- und Festkleidung kann wichtige Hinweise auf die zu erwartende Entwicklung geben.

Der neoliberale Weltbürger schien zum Greifen nah

Beginn des Beobachtungszeitraums ist das ausgehende 20te Jahrhundert. Etablierte politische Gegensätze hatten sich mit dem Mauerfall aufgelöst. Die Menschen blickten optimistisch der Annäherung der Völker entgegen. Es entstanden globale Konventionen. Englisch wurde zur echten Weltsprache. In den Einkaufzentren wurden weltweit die gleichen Konsumartikel angeboten. Weltmarken wie McDonalds, Red Bull und Nestlé etablierten einen globalen Geschmack; Ikea eroberte standardisierte Wohnungen mit dem individualisierten Lebensentwurf einer globalen Generation. Plattformen für Weltautos wurden entwickelt und globale Standards für IT Infrastruktur und Datenverwaltung etabliert. Der neoliberale Weltbürger schien zum Greifen nah. Er trug universelle Mode von Zara oder Armani und verzichtete weitgehend auf Stilelemente oder Symbole, aus denen die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, einer Religions­ge­mein­schaft oder politischen Gesinnung hätte abgeleitet werden können.

Die Gemeinschaften bearbeiteten die Auswirkungen der historischen Ereignisse des 20ten Jahrhunderts noch immer, als im ersten Jahrzehnt des 21ten Jahrhundert eine Reihe von Ereignissen stattfand, die zu neuen Herausforderungen führten und einen langen Nachhall im Bewusstsein der  Wertegemeinschaft der westlichen Welt haben sollten. Auszugsweise werden hier politische Ereignisse wie die Urbanisierung der zentraleuropäischen Bevölkerung, die EU Osterweiterung, die wirtschaftlichen Krisen an der Peripherie der Europäischen Union, die globale Finanzkrise, die Kriege in Nahost, der nordafrikanische Frühling, das politische Tauziehen um die Ukraine oder auch das Erstarken fernöstlicher Ökonomien genannt. Mit jedem dieser Ereignisse stieg der Mobilitäts- und Leistungsdruck auf die Gesellschaft.

Fast jedes dieser Ereignisse löste Migrationsströme aus. Große Teile der Bevölkerung zogen vom Land in die Städte. Aus der Peripherie Europas strömten junge Menschen nach Zentraleuropa. Aus Nahost und Nordafrika kamen Kriegsflüchtlinge, aus den Armenvierteln dieser Welt kamen Wirtschaftsflüchtlinge. Es entstanden Multi-Kulti-Stadtbezirke. Menschen waren neugierig aufeinander und bemühten sich um ein friedliches Miteinander. Das gelang vielfach.

Konventionen gegen die Realität prüfen

Das Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen verlangt den Menschen viel ab. Sie müssen ihre Konventionen gegen die Realität prüfen, gegebenenfalls überarbeiten und in der Gemeinschaft neu verankern. Dieser Prozess braucht vor allem eines: Zeit. Viel Zeit.

In diesen dynamischen Zeiten vermitteln die politischen Entscheidungsträger jedoch vor allem eines: Zeit haben wir nicht. Wir müssen Wirtschaftsmotor bleiben und Maßnahmen für Wachstum setzen. Wir müssen die Energiewende meistern und das Klima vehementer schützen. Wir müssen die Digitalisierung vorantreiben und Technologien implementieren. Wir müssen die Entwicklung der Europäischen Union vorantreiben und uns dem globalen Wettbewerb stellen. Wir müssen Fluchtursachen müssen bekämpfen und Entwicklungshilfe leisten. Die Liste der Vorhaben ist lang; ein Ende ist nicht abzusehen.

Kann es sein, dass die Menschen Europas in Anbetracht der Fülle der Aufgaben den Mut verlieren und sich auf den Ausgangspunkt zurückziehen? Anzeichen dafür gibt es.

Klaus von Dohnanyi zog am 27.09.2017 in der Sendung „Anne Will“ eine Parallele zwischen der Renaissance der Trachten und der Entwicklung der Geisteshaltung im deutschsprachigen Raum.

Tracht als klares Bekenntnis zur historischen Gemeinschaft

Vor dem Hintergrund der hier aufgestellten These darf das vermehrte Tragen von Trachtgewand interpretiert werden als klares Bekenntnis zur historischen Gemeinschaft in der entsprechenden Region. Es bedeutet bis zu einem gewissen Grad die Abkehr von globalen Konventionen. Bayern und Tiroler, Kärntner und Steirer, Niederösterreicher und Salzburger tragen wieder Tracht und grenzen sich damit gegen die Gemeinschaften der Migranten ab.

Die Politik ist gefordert, die bereits sichtbare Entwicklung der Geisteshaltung der Gesellschaft (als Menge aller Gemeinschaften) zu erkennen. Sie muss die Ursachen sorgfältiger als in diesem Artikel erheben und sich genau überlegen, welche der angestoßenen politischen, technologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen priorisiert werden müssen, um den Menschen eine Perspektive zu geben und sie letztes Endes sicher durch die enormen Umbrüche begleiten zu können.

 

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