Innovation wird in unserem Land zu wenig geschätzt. Dabei leben wir am Ende des Tages alle davon…

Interview mit Mag. Michael Wachsler-Markowitsch, Chief Financial Officer der ams AG.

Die ams AG ist sicher eines der innovativsten Unternehmen Österreichs. Was bedeutet für euch Innovation?

Innovation besteht in aller erster Linie darin, Ideen und Visionen unserer IngenieurInnen in Produkte umzuwandeln. Wir beschäftigen weltweit über 1.200 Techniker und Technikerinnen in über 20 Forschungs- und Entwicklungszentren. Diese „Design Center“, wie wir sie nennen, sind in der Nähe von Kunden und namhaften technischen Universitäten angesiedelt, mit denen wir Kooperationen haben und gemeinsame Projekte durchführen. Wir haben weltweit über 2.700 Patente (erteilt und angemeldet), und es kommen pro Jahr um die 150 dazu. Bei uns wird sehr viel in Forschung und Entwicklung investiert, im vergangenen Jahr waren es über 200 Millionen €, das sind 20% vom Umsatz. Dieses Jahr wird es in absoluten Zahlen sogar noch mehr sein, weil wir so stark wachsen.

Und Innovationen bedeuten Profitabilität.

Die Innovation per se manifestiert sich nicht in ein Geschäft. Man muss sie zuerst einmal vermarkten und verkaufen. Ich glaube, das Geheimnis liegt im Marketing und Verkauf. Es gibt viele sensationelle Technologien, die sich am Markt einfach nicht durchgesetzt haben. Mangels guten Marketings? Mangels guten Vertriebs? Du kannst die beste Innovation aller Zeiten haben, aber wenn sie keiner kennt, wirst du nicht erfolgreich sein.

Du siehst die ams AG als österreichisches Unternehmen.

Wir sind ein internationales Unternehmen, und das Headquarter ist hier in der schönen Steiermark – seit 1981.

Ist Österreich ein guter Standort für Innovationen?

Ich glaube, es ist ein guter Standort im Allgemeinen aufgrund des schönen Umfelds, was wiederum wichtig ist, um kreativ sein zu können. Bezogen auf Innovation an sich glaube ich, dass dies in unserem Land zu wenig geschätzt wird, sowohl von der Politik als auch von der Gesellschaft als Ganzes. Wir haben von uns selbst eine viel zu negative Sichtweise, wir sind als Gesellschaft zu wenig stolz. Deshalb müssen wir Bewusstsein schaffen für die große Bedeutung von Technik und Technologie bzw. dafür, wie wichtig beides ist. Damit sich mehr junge Menschen dafür begeistern. Werfen wir einen Blick nach China. China hat natürlich mehr Einwohner als wir in Europa, aber dort absolvieren pro Jahr 270.000 StudentInnen ihr Studium im Bereich Elektrotechnik. Das ist genau das, was wir brauchen. Ein/e chinesische/r AbsolventIn einer technischen Studienrichtung wird im Silicon Valley sofort aufgenommen. Wenn ich hier in Premstätten eine/n chinesische/n IngenieurIn anstellen möchte, wird es durch den bürokratischen Aufwand so gut wie unmöglich gemacht. Aber es gibt hier einfach nicht genug Techniker, weil Kinder und Jugendliche viel zu wenig für Technik begeistert werden. Das müsste schon im Kindergarten stattfinden. Dazu kommt auch das Thema Wegwerfgesellschaft. Als ich noch ein Kind war, wurde Spielzeug repariert. Heute schmeißt man das kaputte einfach weg und kauft ein neues. Das ist in anderen Ländern nicht so. Es gibt viele Gründe, die man dafür finden kann. Aber wenn man als Kind Technik-affin ist, muss man sich richtig durchsetzen, um dabei bleiben zu können. Technik wird einfach nicht genug gefördert.

Apropos fördern – Was hältst du von unserer Förderlandschaft?

In Wirklichkeit ist sie nicht mehr zeitgemäß. Die Förderlandschaft hat ja einen riesen Verwaltungsaufwand dahinter. Sowohl von Seiten des Unternehmens als auch von Seiten des Staates. Du musst Projekte einreichen, die müssen begutachtet werden, unzählige Dokumente sind auszufüllen, Akten müssen erstellt werden. Diese enorm aufwendige aktive Förderkultur ist nicht zielführend, das müsste man ganz anders lösen. In anderen Ländern gibt es beispielsweise mehr Forschungsförderung durch Steuerentlastung.

Kommen die meisten eurer Innovationen und erfolgreichen Markteintritte aus Österreich?

Unsere Innovationsstärke beruht auf unsere globale Denkweise: Unsere MitarbeiterInnen repräsentieren mehr als 50 Nationalitäten in über 20 Ländern. Wir haben neben dem Headquarter und Design-Center in Österreich weltweit 21 weitere Design-Centers und über 14 Sales-Offices sowie Produktionsstätten in Österreich, Singapur und auf den Philippinen. All diese Standorte sind durch die digitalen Möglichkeiten über alle Zeitzonen hinweg eng miteinander vernetzt. Das ist alles Teamwork.

Ihr arbeitet viel mit Künstlicher Intelligenz.

Sagen wir lieber so, Künstliche Intelligenz wird sicherlich zum Teil erst durch uns ermöglicht. Dabei geht es im Wesentlichen um Algorithmen. Die Software, die wir entwickeln, speist sich durch Algorithmen, die immer komplexer und genauer werden, die zwar noch nicht selbst lernend sind, aber doch schon mit viel Information aus vergangenen Projekten gefüttert werden können und damit die nächste Entwicklungsstufe software-seitig erreichen können.

Kannst du von spannenden Projekten erzählen, bzw. aktuellen Trends?

Da wäre 3-D-Sensing. Das ist eine relativ junge Technologie, die wir entwickelt haben. Wir waren auch bis vor Kurzem die einzigen, die eine solche Komplettlösung als System produzieren konnten. Dafür haben wir in den letzten beiden Jahren über 1,2 Milliarden USD in Equipment investiert. Wir sind Weltmarktführer und sind gerade dabei, dies auf den nächsten Level zu bringen, indem wir stark in LiDAR (Light Detection And Ranging) im Automobilbereich investieren. LiDAR ist eine hochauflösende Umfeldsensor-Technologie für Fahrzeuge. Die LiDAR-Technologie sendet mittels einer Lichtquelle Laserimpulse mit einer Wellenlänge im Infrarotbereich aus. Diese werden dann an Hindernissen – von anderen Autos, hin zu Straßenschildern oder Leitplanken – gestreut und von Sensoren rund um das Fahrzeug aufgenommen und verarbeitet. Durch die Zeit, die diese elektromagnetischen Wellen für den Weg zurück benötigen, wird die Distanz zu den Objekten gemessen.

Wir erwarten, die ersten Systeme 2021 in Oberklasse-Fahrzeugen am Markt zu sehen. Unsere Laser-basierten 3-D-Systeme sind mit entsprechenden notwendigen Sensoren ausgestattet, die die Fülle an Informationen herausfiltern und interpretieren können, um das Fahrzeug tatsächlich dreidimensional sehen lassen zu können – und das in Echtzeit. Da gehört schon was dazu. Unter anderem auch enorme Rechnerkapazitäten im Fahrzeug.

Ein weiterer Megatrend im Automobilsektor ist die Elektrifizierung wie zB Hybridantriebe. Für die Fahrzeugelektrifizierung bietet ams extrem genaue und robuste Positionssensoren für sicherheitskritische Anwendungen wie elektronische Servolenkung, Fahrmotoren für elektrische oder Hybridfahrzeuge sowie Motoren für elektrische Bremskraftverstärker. Darüber hinaus sorgen wir mit unseren Battery-Management-Lösungen für hohe Messgenauigkeit des Ladezustandes von hybridisierten und voll elektrischen Fahrzeugen.

ams ist auch führend in der Innovation von Sensorlösungen für Fahrer- und Gesichtserkennung, Fahrerüberwachung, Diese Sensoren innerhalb des Fahrzeugs, erkennen zB in halbautomatisierten Fahrzeugen, ob der Fahrer im Notfall die Kontrolle wieder übernehmen kann.

Oder ams Luftqualitätssensoren für den Fahrzeug-Außenraum, um zB verschmutzte Luft wie in einem Tunnel nicht ins Innere zu lassen. Lösungen für den Fahrzeug-Innenraum sind in der Entwicklung. Hier liegt das Hauptaugenmerk darauf, den Luftaustausch so zu steuern, dass der Fahrer nicht ermüdet und dennoch Energie gespart wird.

Des Weiteren erhöhen wir mit intelligenten Licht- und Farbsensoren das Wohlbefinden der Fahrer mit der intelligenten Kabinenbeleuchtung, die auf die individuelle Präferenz des Fahrers zugeschnitten werden kann.

Und und und….

Eure Kunden sind Automobilhersteller oder Zulieferer?
Die OEMs interessieren sich natürlich für diese Lösungen, wir liefern in erster Linie an Tier 1.

Damit das Ganze funktioniert, braucht man ja jede Menge Daten.

Bleiben wir bei dem LiDAR-System. Natürlich hast du da sehr viele Daten, die in Echtzeit generiert werden, die dann aber nicht mehr notwendig sind. Das heißt, es gibt kein Speicherthema. Die Daten werden nur in Echtzeit verwendet. Das Fahrzeug muss wissen, dass vorne eine Stopptafel ist, oder dass eine Person den Zebrastreifen kreuzt, aber wenn die Situation vorbei ist, sind die Daten auch wieder weg. Die werden nicht gespeichert. Wozu auch. Dasselbe gilt für dein Smart-Phone. Natürlich wird dein Gesicht gespeichert, damit sich das Telefon öffnet, wenn es dein Gesicht sieht und du mobil bezahlen kannst. Aber das Bild ist nur in deinem Smart-Phone. Das geht ja nirgendwohin, dein Gesicht geht in keine Cloud.
Haben all diese Ideen, dieses Wissen, die innovativen Menschen auch hier in der Steiermark ihre Wurzeln?

Unser größtes Design Center ist hier am HQs in Premstätten. Von den über 1200 IngenieurInnen weltweit sind hier rund 450 beschäftigt.

Vor fast zwei Jahren habt ihr in Singapur ein Unternehmen gekauft, welches Know-How habt ihr dadurch erworben?

Da war eben diese 3-D-LiDAR Technologie ein großer Bestandteil. So ein System besteht aus dem Sensor, den wir schon hatten, und dem sogenannten optischen Pfad. Das heißt, welchen Weg nimmt das Licht zum Sensor und in welcher Qualität und Intensität verlässt der Laserstrahl, der etwas erfassen muss, das System. Die Reflexion ist dann wieder zu erkennen und zu messen. Dieser optische Pfad wurde zugekauft. Das eine funktioniert ohne das andere nicht.

Zum Schluss noch ein Wunsch an die Politik: Mehr Projekte und Initiativen, um Kindern und jungen Leuten die Technik näher zu bringen?

Vor einigen Jahren hatten wir Aktionen mit der IV am Laufen, wo wir Geschenkboxen mit naturwissenschaftlichem Inhalt an Schulen verteilt haben, um die jungen Menschen näher an das Thema Technik heranzuführen. Eine tolle Initiative, aber als Einzelinitiative verpufft das. Deswegen sprach ich das gesellschaftliche Umdenken an. Das kann man nicht so einfach erzwingen, es sind viele Stellschrauben, an welchen man drehen muss. Silicon Austria ist auch sicher eine wertvolle Initiative. Wir müssen vielmehr ein Bewusstsein entwickeln, dass Innovation unser Antrieb ist. Dafür und vor allem davon werden wir am Ende des Tages alle leben.

 

Michael Wachsler-Markowitsch trat der ams AG im Jahr 2001 bei und wurde 2003 zum Chief Financial Officer berufen. Seit Februar 2004 ist er Mitglied des Vorstands. Zuvor war er Chief Financial Officer der Ahead Communications AG, einem Management-Buy-out der Ericsson Multi Service Access Division. Er war Mitglied des Buy-out-Teams mit umfangreicher internationaler Erfahrung in Asien und Amerika. Michael Wachsler-Markowitsch begann seine Laufbahn in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung bei KPMG. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in allen Bereichen der internationalen Unternehmensrechnungslegung und ist Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien.