So viel Freiheit wie möglich – so viel Hilfe wie nötig

Das ist das Credo der Elisabethinen, die seit dem 17. Jahrhundert in der Krankenpflege tätig sind. Der Orden ist eine katholische Kongregation päpstlichen Rechts und betreibt in Graz unter der Leitung von Sr.Bonaventura Holzmann eines der erfolgreichsten Akutspitäler.

 

Schwester Bonaventura, Ihr Spital wird neu ausgerichtet, Sie werden sich künftig auf das Thema des Älterwerdens konzentrieren. Wie kam es dazu?

Wir Elisabethinen leben seit unserer Gründung 1622 mit einer Frage: „Was ist heute notwendig?“ Eine sehr einfache und zugleich sehr unbequeme Frage, wenn man die Antwort darauf ernst nimmt. Denn sie bedeutet Aufbruch und Veränderung. Oft gerade dann, wenn man meint, sich ausruhen zu können.

Was ist also heute wichtig, um die Not von Menschen zu wenden? Wir leben in einer alternden und heterogener werdenden Gesellschaft, in der besonders ältere Menschen, die vermeintlich nicht mehr so viel leisten können, an den Rand gedrängt werden. Mitte dieses Jahrhunderts werden zudem rund 50% der Steirer/innen über 65 Jahre in Graz leben.

Wir möchten deren Bedürfnis nach Freiheit, Wertschätzung und Hilfe eine Heimat geben. Wir bauen aktiv an einem guten Ort für ältere Menschen mit einem Ensemble von Betreutes Wohnen, Akutgeriatrie und Remobilisation, Versorgung seelsorglicher, psychischer und sozialer Bedürfnisse, und Hospiz- und Palliativbetreuung. Daher haben wir auch als Motto für die Spitalskooperation mit den Barmherzigen Brüdern das Leitwort geprägt: „Gemeinsam, um besser zu helfen.“ Seit 1690 helfen die Elisabethinen in Graz Menschen in Not bringen ihr christliches Profil auch im öffentlichen Diskurs in eine plurale Gesellschaft ein.

Wie kann das Thema rund um die Versorgung im Alter gelöst werden?

Mit Respekt. Unser Bild von Menschen verändert unseren Umgang mit ihnen und mit uns selbst. Wenn wir zeigen, dass wir ältere Menschen respektieren und sie wertvoll sind, ergeben sich daraus viele Hoffnungspotentiale für sie und für die Gesellschaft.

Mit diesem Prinzip können nachhaltige gesellschaftliche Modelle für und mit älteren Menschen entwickelt werden. Als Elisabethinen folgen wir dem Grundsatz „Soviel Freiheit wie möglich, soviel Hilfe wie nötig“. Wir gestalten daher sinnvolle Übergänge zwischen familiärer und aufsuchender Unterstützung, ambulanter bzw. tagesklinischer Hilfe und stationärer Betreuung. Gastfreundschaft und Begegnung auf Augenhöhe gehören zur DNA der Elisabethinen.

Heute sind die Elisabethinen eines der erfolgreichsten und besonders spezialisierten Spitäler des Landes. Als die Schwestern nach dem Krieg wieder nach Österreich kamen, womit haben Sie begonnen?

Mit Gebet und Gottvertrauen. Papst Benedikt XVI. hat einmal gesagt: „Alles Wesentliche in unserem Leben ist uns geschenkt worden.“ Das ist eine Erfahrung, die wir in unserem täglichen Leben machen, und die in unserer Leistungsgesellschaft oft verdeckt wird. Die Elisabethinen waren immer Powerfrauen: konsequent, pragmatisch, herzlich. Zugleich wussten sie, ohne Gebet und ohne Identität aus dem Glauben kann ihr Dienst für Menschen, die Not leiden an Leib und Seele, nicht gelingen. Die Nazis haben die Elisabethinen enteignet und vertrieben. Die Schwestern hätten im Spital bleiben können unter der Bedingung, aus dem Orden auszutreten – was keine getan hat. Während des Krieges nutzte die Wehrmacht das Krankenhaus als Lazarett und die Klosterkirche als Apotheke. Als die Schwestern nach Kriegende zurückkehrten, gab es buchstäblich nichts mehr – weder Medikamente noch Matratzen. Kloster und Krankenhaus waren ausgebombt und geplündert. Die Schwestern gingen sofort an die Arbeit. Bereits im Oktober 1945 konnten 50 kranke Menschen versorgt werden. Im September 1946 wurde ein Teil des Krankenhauses mit einer Medizinischen und einer HNO-Abteilung wiedereröffnet.

Haben Sie genug Nachwuchs im Orden? Was tun Sie dafür?

In unserem Kloster leben heute 12 Ordensschwestern und eine Kandidatin. Unser Konvent hat daher heute mehr Mitglieder als zur Zeit seiner Gründung im 17. Jahrhundert. Sicherlich hat sich im Auf und Ab der Geschichte seit damals Vieles verändert, das uns als Ordensgemeinschaft beeinflusst. Eines ist jedoch gleichgeblieben: Die Berufung für ein Ordensleben geht einher mit einer sich entwickelnden besonderen Beziehung zu Gott und zu den Menschen. Eine solche Beziehung kann man nicht erzwingen. Dann hätte sie keinen Bestand. Nicht umsonst gibt es das geflügelte Wort: „Das Gewand macht noch keinen Mönch.“

Wir beten daher um geistliche Berufungen und versuchen, ehrlich und konsequent als Christinnen im Geist der heiligen Elisabeth und nach der Regel des heiligen Franziskus zu leben. So wollen wir Frauen zeigen – etwa auch durch eine Zeit des Mitlebens in unserer Gemeinschaft – , dass ein Leben im Orden eine Bereicherung sein kann.

Ora et labora – gemeinsam zu beten und zu arbeiten gehört seit jeher zum Charakteristikum von Klöstern. Die Elisabethinen verbinden dies besonders mit einladender Fröhlichkeit und franziskanischer Einfachheit.

Laut OECD Studie hat Österreich die zweitgrößte Ärztedichte nach Griechenland. Ärzte in Ausbildung sind allerdings miteingerechnet. Haben wir zu wenig Ärzte?

Die Ärztedichte hängt immer mit den geographischen Bedingungen in einem Land zusammen. Es gibt in allen Ländern eigene Traditionen der Gesundheitsberufe (z. B. berufsrechtliche Aufgabenzuschreibungen). Heute gibt es gute Planungsmethoden, wie sich die Gesundheitslandschaft entwickelt und in welchen Bereichen der Medizin ein Mangel drohen könnte, so etwa in der Psychiatrie.

Fast jeder zweite hier ausgebildete Arzt geht ins Ausland. Wie können wir hier gegensteuern?

Die junge Generation ist in ihrer Bildungsbiographie (z. B. Erasmus) einen Austausch in Europa gewohnt. Das ist gut so und gibt ihnen neue Lernfelder. Um ein Gesamtbild zu haben, darf gesagt werden, dass auch viele Ärzt/innen aus dem europäischen Ausland in Österreich arbeiten. Entscheidend für die Ärztezahl wird in Zukunft die Attraktivität des Arbeitsplatzes, die Organisationskultur und die Integration in Teams sein.

Gibt es zu viel Bürokratie im Gesundheitswesen? Sollte das Gesundheitswesen besser zentral oder föderal organisiert sein?

Entbürokratisierung ist für das Gesundheitswesen ein Dauerauftrag. Die entscheidende Frage ist, welche Art der Bürokratie hilft den Patient/innen und welche verhindert rasche und qualitätsvolle Diagnostik und Therapie. Betreffend Föderalismus und Zentralismus im Gesundheitswesen gibt es unterschiedliche Zugänge. In der Schweiz funktioniert das föderale Modell hervorragend, weil es eine große Nähe zu den Patient/innen und eine hohe Bedarfsorientierung gibt. In Österreich gibt es föderale und zentrale Strukturen im Gesundheitswesen. Hier gibt es sicher Optimierungspotential.

Worauf sind Sie in Ihrem Spital spezialisiert?

Als gemeinnütziges und öffentliches Akutkrankenkaus können wir uns die Menschen, die zu uns kommen, nicht aussuchen – und wir wollen das auch nicht. Wir bemühen uns, jedem Menschen bestmöglich zu helfen. Sei es durch eine stationäre Betreuung, ein seelsorgliches Gespräch, einen Ort im Betreuten Wohnen oder eine Dolmetschleistung. Die Vielfalt der Menschen, die in unser Haus kommen, bereichert uns. Im Krankenhaus sind wir vor allem auf die Behandlung chronischer Schmerzen, auf Angebote der Chirurgie – besonders Laporoskopische und Bariatrische Chirurgie – und der HNO – besonders die Behandlung von Erkrankungen im Mittelohr, ästhetische Gesichtschirurgie und Schlafmedizin – sowie auf Hospiz- und Palliativbetreuung ausgerichtet.