Für die Ernährung von bald 10 Milliarden Menschen braucht man Innovationen

DI Harald Pflanzl, MBA verantwortet bei BASF nicht nur Österreich, sondern ganz Zentral- und Nordwesteuropa in insgesamt 30 Ländern mit rund 5500 Mitarbeitern. Letztes Jahr hat der BASF Konzern einen Umsatz von 63 Milliarden Euro erwirtschaftet.

 

Mit welchem Geschäft wird dieser Umsatz gemacht?

Wir sind sehr breit aufgestellt von Pflanzenschutz, über Lacke, bauchemische Produkte, Kunststoffe, Körperpflege und Hygiene sowie Wasch- und Reinigungsmittel. Es gibt eigentlich kaum Produkte, die nicht mit BASF Rohstoffen hergestellt werden. Wir arbeiten intensiv mit unseren Kunden zusammen, um spezifische Lösungen zu entwickeln.

Sie sind einer der weltweit größten Chemiekonzerne. Da steht man natürlich oft nicht nur im Fokus, sondern auch am Pranger der Öffentlichkeit. Man denke dabei allein an das Thema Plastik.

Natürlich versuchen wir sowohl auf lokaler als auch auf Konzern-Ebene auf Zahlen, Daten und Fakten basierende Gespräche und Diskussionen zu führen. Wir versuchen auch Aufklärung zu betreiben, und den mündigen Konsumenten in eine Richtung zu bringen, dass er Fragen stellen soll, worum es wirklich geht. Nicht immer sind die Dinge so, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Das ist allerdings eine schwierige Aufgabe, weil die öffentliche Meinung über die chemische Industrie nicht immer gut ist. Für uns ist es deshalb umso wichtiger klar darstellen zu können, dass wir einen Mehrwert für unsere Gesellschaft schaffen und Lösungen für unsere Kunden bieten.

Was gibt es Neues im Bereich Pflanzenschutz? Man kennt aus den Zeitungen natürlich Monsanto, den „bösen Riesen“…

Pflanzenschutz ist für den BASF Konzern ein sehr wichtiger Bereich. Wir machen ungefähr 10% von unserem Umsatz mit Pflanzenschutz. Gegen Ende des letzten Jahres haben wir unsere neue Konzernstrategie kommuniziert, in welcher ein sehr wichtiger Eckpfeiler die Nachhaltigkeit ist. Natürlich gilt das auch für den Pflanzenschutz. Das bedeutet, bis 2030 wollen wir CO2-neutral wachsen. Die größten CO2-Quellen in der chemischen Industrie sind fossile Brennstoffe, denn Chemie braucht Energie. Wir werden alles daran setzen, Prozesse zu optimieren und neue zu entwickeln, um Ressourcen zu schonen. Wir wollen weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Wir werden damit einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Umwelt leisten. Auch das Thema Digitalisierung wird immer wichtiger. Diese ist auch schon in der Landwirtschaft angekommen. Wir arbeiten daran, dass Pflanzenschutzprodukte immer gezielter zum Einsatz gebracht werden können. Pflanzenschutz ist notwendig, um die Qualität und die Menge der landwirtschaftlichen Produktion zu sichern.

Viele Konsumenten haben eine negative Meinung über Pflanzenschutz und glauben, dass das ungesund sei.

Natürlich würde ich dringend davon abraten, anstatt eines Liters Mineralwasser einen Liter Pflanzenschutzmittel zu trinken. Dafür ist Pflanzenschutz aber auch nicht vorgesehen. Die Entwicklung von einem Wirkstoff dauert im Durchschnitt zehn Jahre und kostet hunderte Millionen von Euro. Dabei wird natürlich immer an der Verträglichkeit und Unbedenklichkeit für Mensch und Natur geforscht und letztendlich intensiv geprüft. Wenn die Produkte wie vorgeschrieben angewendet werden, sind diese somit unbedenklich.

Ich habe den Eindruck, dass in der Öffentlichkeit ein völlig unrealistisches Bild gezeichnet wird. Es gibt ein starkes Bevölkerungswachstum und die Menschen müssen ernährt werden. Daher sind professionelle Produktionsmethoden unabdingbar.

Das sehen wir auch so. Wir haben es mit einem enormen Bevölkerungswachstum zu tun, knapp 10 Milliarden Menschen werden im Jahr 2050 auf dieser Welt leben. Wie will man deren Ernährung gewährleisten, und dabei die voranschreitende Rodung von Urwäldern, zur Gewinnung von Anbauflächen vermeiden? Das heißt, wir müssen weiterhin innovative Lösungen finden. Aus unserer Sicht ist das nur zu bewerkstelligen, wenn man Pflanzenschutz Ressourcen-schonend zum Einsatz bringt. Bei der Herstellung der Produkte, aber natürlich auch bei der Anwendung in der Landwirtschaft. Die zielgerichtete Anwendung bedeutet natürlich auch eine Produktivitätsverbesserung, die dem Landwirt zugutekommt, indem er geringere spezifische Kosten für den Pflanzenschutz hat und für die Konsumenten sicherstellt, dass nur so viel Pflanzenschutz zum Einsatz kommt, wie notwendig.

Sie haben bestimmt eine sehr große Abteilung für Forschung und Entwicklung?

Ja, für Forschung und Entwicklung haben wir letztes Jahr rund zwei Milliarden Euro ausgegeben. Wir haben im Gesamtkonzern rund 122.000 Mitarbeiter weltweit, davon sind allein 11.000 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, das sind ungefähr 9% aller Mitarbeiter. Es gibt neben unseren eigenen Tätigkeiten auch Forschungskooperationen mit Unternehmen, mit renommierten Universitäten und anderen Forschungsinstituten weltweit. Wir haben die Forschung globalisiert, und sind diesbezüglich in Europa, Asien sowie auch in Nord- und Südamerika aktiv.

Liegt die Mentalität in diesen Regionen weit auseinander?

Unsere globale Struktur erlaubt es, die vorhandene Diversität zu nutzen. So bringen z.B. Asiaten andere Ideen und Blickwinkel ein, als Europäer oder Amerikaner. Natürlich sind wir mit dieser Struktur auch näher an unseren Kunden und deren Bedürfnissen.

Sind die Regularien und Zertifizierungsverfahren rund um den Globus ähnlich?

Wir sind in verschiedensten Industriebereichen tätig, da gibt es die unterschiedlichsten Zertifizierungsverfahren. Innerhalb der EU haben wir REACH, die EU-Chemikalienverordnung. Es gibt in den Industrienationen oft schon starke Ähnlichkeiten bei den Vorschriften und Verfahren, was auch notwendig ist für den globalen Handel. Natürlich gibt es oft Länder-spezifische Regeln, an welche wir uns klarerweise immer halten. Für den Handel sind einheitliche Vorschriften schon eine deutliche Erleichterung. In dem Zusammenhang wird für uns der Brexit spannend, um zu sehen, ob Großbritannien die Standards von REACH beibehalten wird, oder neue Standards gesetzt werden. Dann müsste man wohl rezertifizieren, was zu Mehrkosten führen wird, die am Ende den Konsumenten treffen werden. Es kann aber auch sein, dass es aus ökonomischer Sicht uninteressant wird, gewisse Produkte zu zertifizieren. Das könnte bedeuten, dass manche Produkte nicht mehr in allen Märkten wie bisher verfügbar sind.

Unternehmer fühlen sich oft überreguliert, trifft das auf Ihren Bereich und Ihre Industrie auch zu?

Generell natürlich, ja, wir sind insgesamt überreguliert. Es wäre notwendig, Vorschriften immer auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen. In der EU ist zurzeit die Einstufung von Titandioxid als vermutlich krebserregend in Diskussion. Alternativen für das brillante und effiziente Weißpigment Titandioxid gibt es weder aus Leistungs- noch aus toxikologischer Sicht. Es findet Anwendung in Lacken, Kunststoffen, als Lebensmittelzusatzstoff z.B. in Zahnpasta aber auch in Sonnencremes. Mit seiner ultraweißen Farbe, der Eigenschaft, Licht zu streuen, und seiner UV-Beständigkeit ist Titandioxid ein gebräuchlicher Inhaltsstoff, der in hunderten von Produkten eingesetzt wird, die wir jeden Tag verwenden. Die ökonomischen Konsequenzen einer Einstufung wären mannigfaltig und insbesondere bedeutend für den Abfallbereich, da Abfall >1 % Titandioxid als gefährlicher Abfall einzustufen wäre. Das hätte einen enormen Einfluss auf den Wertstoffkreislauf. Titandioxid ist chemisch inert. Das heißt, es reagiert nicht mit anderen Chemikalien und ist eine stabile Substanz. Momentan laufende Diskussionen basieren nicht immer auf wissenschaftlichen Grundlagen und tragen nur zur Polarisierung dieses Themas bei. Als chemische Industrie treten wir hier gemeinsam mit dem Chemiefachverband und anderen Institutionen auf und versuchen die Diskussion wieder auf eine sachliche Ebene zurückzuführen. Grundsätzlich ist das Ansehen eines Fachverbandes im Auftreten gegenüber den Behörden, oder auch gegenüber dem Konsumenten eine andere, als die eines einzelnen betroffenen Unternehmens. Es ist eine meiner Hauptaufgaben, mich mit solchen zum Teil auch öffentlichen Diskussionen zu beschäftigen und unseren Standpunkt einzubringen.

Welche Rolle spielen NGOs in solchen Kampagnen?

Sagen wir so, heutzutage reichen Zahlen, Daten und Fakten nicht aus, um den Konsumenten zu überzeugen. Ich war kürzlich bei einem Vortrag des deutschen Historikers Philipp Blom in der Industriellenvereinigung. Er sagte, Emotionen sind für die NGOs eine Waffe, die sie sich mit Sicherheit nicht aus der Hand nehmen lassen. Was müssen wir daraus ableiten? Als Industrie sind wir natürlich gut beraten, immer sachlich zu argumentieren, aber das allein ist nicht genug für die Bewusstseins-Schaffung in der Bevölkerung. Wir müssen die Inhalte um Emotionen anreichern. Ansonsten wird es uns zukünftig nicht gelingen, eine objektive Diskussion zu führen, und wir überlassen das Spielfeld anderen, die oft nur Emotionen bedienen und Fakten ausblenden.

Man darf nicht vergessen, dass es bei solchen Diskussionen auch immer um Arbeitsplätze geht.

Natürlich, wir haben weltweit 122.000 Mitarbeiter beschäftigt, wenn man die indirekten Arbeitsplätze miteinrechnet, sind das natürlich viel mehr Menschen, die von einem Arbeitsplatz bei BASF leben. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass wir als chemische Industrie als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems gesehen werden. Wir werden auch in Zukunft zu den wichtigen Themen Klima- und Umweltschutz, sowie Ernährung und Mobilität sicherlich unseren Beitrag leisten und damit weiterhin viele Arbeitsplätze sichern.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der chemischen Industrie?
Wir sehen enorme Chancen durch die Digitalisierung. Es gibt schon erste Projekte, wo Drohnen über die Felder fliegen, diese dabei vermessen und geprüft werden, in welcher Entwicklungs- bzw. Wachstumsstufe sich die Pflanzen befinden und, ob ein Schädlings- oder Krankheitsbefall vorhanden ist. Darauf basierend kommen die geeigneten Produkte zielgerichtet zur Anwendung. Wir haben auch seit zwei Jahren einen Supercomputer in Ludwigshafen installiert. Dieser ermöglicht die Anwendung und Entwicklung komplexer Modellierungen und Simulationen, unabhängig vom Forschungsgebiet. Die Zeit bis Ergebnisse vorliegen wird dabei von mehreren Monaten auf Tage verkürzt.

BASF beschäftigt sicherlich besonders viele Techniker. Bekommen Sie die Leute, die Sie brauchen?

Wir haben weltweit über 360 Produktionsstandorte, das heißt wir haben viele Prozessingenieure, Anlageningenieure, natürlich Chemiker aber auch viele Betriebswissenschafter, Marketingleute und Vertriebsmitarbeiter. Wir beobachten natürlich den Facharbeitermangel, der nicht nur Österreich betrifft. Es braucht gut ausgebildete Menschen, um Unternehmen und generell die Gesellschaft voran zu bringen, da muss mehr getan werden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Lehrpläne die rasante Entwicklung bei der Digitalisierung zeitgemäß abbilden. Hier gibt es sicher Verbesserungspotential.

Österreich ist ein kleines erfolgreiches Land mitten in Europa und mitten in der EU. Wie sehen Sie die Geisteshaltung zu Innovation?

Wir als BASF nehmen innerhalb der EU jedenfalls wahr, dass das „Precautionary Principle“ dominiert, und nicht das „Innovation Principle“. Das heißt, man sieht zuerst die Gefahr, was die Innovationsfreudigkeit limitiert, genauso wie die Wachstumschancen und damit den Wohlstand. Wir sind große Verfechter vom Innovation Principle. Natürlich braucht es gute rechtliche Rahmenbedingungen und diese müssen auf Zahlen, Daten und Fakten beruhen. Aber man sollte jedenfalls mehr dem Prinzip der Innovation folgen, und nicht vor allem Angst haben.

Wer ist „man“. Denken Sie an Politiker oder Beamte?

Ich denke, es sind die Entscheidungsträger im Europaparlament. Weil dort werden die Richtlinien und Verordnungen verabschiedet werden, die auf lokaler Ebene umzusetzen sind. Und wenn diese Gesetze an der Realität vorbeigehen, müssen hier ansässige Unternehmen aktiv werden. Ein Beispiel dafür ist, dass wir vor geraumer Zeit unserer Pflanzenbiotechnologie Einheit zum großen Teil aus Europa abgezogen und nach Nordamerika verlagert haben, weil wir dort bessere Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung vorfinden. Damit sind hier natürlich auch Arbeitsplätze sowie Innovations- und Wachstumspotential verloren gegangen.

Um vernünftige Entscheidungen in der Politik zu bekommen, braucht man wahrscheinlich besseres Personal. Also Politiker, die etwas von den Dingen verstehen, die sie regulieren.

Meine rein persönliche Meinung ist, dass man Politiker, die in ihrer zeitlich limitierten Funktion, vielleicht zwei Amtsperioden, entsprechend den Standards in der Industrie bezahlen sollte. Das heißt gute Leute mit guter Ausbildung und breiter Lebenserfahrung sollten in der Politik zumindest so viel verdienen können, wie in der Industrie. Ich glaube dann ist eine gesunde Basis dafür geschaffen, qualifiziertes Personal für die Politik zu gewinnen.