Es entsteht ein enormer Schaden

Interview mit Ulli und Hermann Retter, die das Retter Bio Natur Resort führen. Es liegt mitten im Naturpark Pöllauer Tal zwischen Wien und Graz. Natur, Nachhaltigkeit, Wellness und Seminare können hier miteinander verbunden werden.

 

Familie Retter, Sie sind mit ihrem modernen und schönen Bio Seminarhotel sicher einer der größten Arbeitgeber der Region. Wir haben Sie den ersten Lockdown erlebt?

Wie in Trance, durch die Pressekonferenz. Unser über Monate im Voraus gut gebuchtes Hotel mussten wir auf einmal schließen. Mit allen 100 Mitarbeitern sprechen, Lebensmittel verarbeiten und verschenken und sich ab diesem Moment ausschließlich mit Stornos beschäftigen. Gerade im Veranstaltungsbereich wurden in der Sekunde bis Mitte September alle Tagungen und Seminare storniert.

Was bedeutet die Situation für Sie und Ihre Mitarbeiter?

90% aller Mitarbeiter sind in Kurzarbeit und freuen sich schon wieder in die Arbeit zu kommen.

Ein Teil der Haustechnik, Gärtner, Etagenmitarbeiter halten das Hotel in Schuss, das Rezeptions- und Reservierungsteam sind für die laufenden Anfragen, verunsicherten Gäste und die vielen Stornierungen im Dienst.

Unser Hauskater, Moritz, der für die Streicheleinheiten der Gäste da ist, ist verzweifelt.

Was hätte man von Seiten der Politik besser machen können?

Dass das Epidemiegesetz kurzfristig angepasst wurde, bringt uns in eine schwierige Situation, da wir eine Betriebsunterbrechungsversicherung haben, die aufgrund der Änderung die Leistung verweigert. Aufgrund der Schließung entsteht uns ein enormer Schaden, den wir jetzt nicht einfordern können.

Wie steht es um Ihr Reisebüro unternehmen?

Das ist derzeit unsere größte Herausforderung, da alles stillsteht und es zurzeit keine Aussicht auf Reisefreiheit gibt. Gerade im Reiseunternehmen wird zeitversetzt gearbeitet, das heißt im Vorjahr 2019 wurde für das Reisejahr 2020 alle Reisen organisiert, Buchungen bei Hotels, Agenturen, Opern, Musicalveranstaltungen gebucht und vorausbezahlt. Die Reisekataloge wurden gedruckt, die ersten gingen im Oktober 2019 in den Versand und die zweite Auflage im Jänner 2020, alle Marketingkosten sind angefallen und das alles ist jetzt völlig wertlos. All unsere Reisebusse stehen am Hof sind abgemeldet und verlieren täglich an Wert. Auch hier gibt es viel Arbeit mit Stornoabwicklung und Kundengeldrückzahlungen. Reisen ins Ausland sind ein emotionales Produkt, dafür braucht man positive Motivation, Zeit und Budget. Daher wird uns Corona noch lange belasten.

Irgendwie muss das gewaltige Budgetloch wieder gefüllt werden und die Verteilungsdiskussion hat begonnen. Die Grünen stellen eine Erbschaftsteuer in den Raum. Welche Ideen haben Sie?

Die Erbschaftssteuer ist für uns eine glatte Enteignung, da es ausschließlich die Fleißigen und Tüchtigen trifft. Außerdem wurde dieses Geld schon ordnungsgemäß endversteuert und würde jetzt nochmals besteuert werden. Steuerschlupflöcher müssten endlich gestopft werden, Steueroasen der Großkonzerne trockengelegt und es müsste die Steuer in Österreich bezahlt werden, wo die Umsätze auch generiert werden. Ebenso könnten wir uns auch eine Transaktionssteuer auf den Aktienhandel vorstellen. Die Co² Steuer ist längst fällig und uns wundert es, warum sie noch nicht zu 100% umgesetzt wurde. Sicherlich gehört sehr gut geprüft, dass ausschließlich Betriebe, die vor der Krise gesund waren und eine gute Bonität hatten unterstützt werden. Es hat keinen Sinn, Betriebe, die bereits vor der Krise krank waren, künstlich am Leben zu halten, da gerade diese später wieder um ihr Überleben kämpfen und mit Preisschlachten gesunden Betrieben das Leben schwer machen.

Erwarten Sie eine Preisschlacht in der Hotellerie Branche?

Das hoffen wir nicht, es könnte aber sein. Da allen Betrieben aufgrund der Krise zusätzliche Schulden aufgehalst wurden, beginnt der Überlebenskampf zeitversetzt.

Fürchten Sie einen Ausverkauf heimischer Betriebe? Die Stadt Wien beteiligt sich unter gewissen Bedingungen. Soll sich der Staat am Unternehmen beteiligen?

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass sich der Staat nicht an Unternehmen beteiligen sollte.

Wir warten gespannt darauf, wie die Zukunft für die Hotellerie aussieht.

Die große Unbekannte sind unsere Kunden, ob sie unter diesen Auflagen und Einschränkungen wieder Freude an einem Hotelaufenthalt haben. Wir haben alle Vorkehrungen getroffen und haben das Glück, sehr viel Platz und Bewegungsfreiheit im Hotel und um das Hotel herum anbieten zu können. Hier kommt uns die Einzellage inmitten der Natur sehr zu gute.

Sind Busreisen noch wirtschaftlich zu führen, wenn jeder zweite Platz frei bleiben soll?

Wir bieten schon seit über 20 Jahren Busse mit erweitertem Sitzabstand an, d.h. wir haben weniger Sitze in unseren Bussen und bieten daher mehr Abstand und größere Beinfreiheit. Somit ist die Abstandsregel machbar, Ehepaare dürfen zusammensitzen und für Einzelreisende würden wir einen Doppelsitzplatz reservieren, natürlich wird dadurch der Preis etwas teurer.

Glauben Sie wird sich die Globalisierung bzw. die globale Wertschöpfungskette ändern?

Durch die Krise ist regionales Denken sicher mehr in den Köpfen als vorher. Die Co² Steuer könnte hier absolut sinnvoll sein, die regionale Wertschöpfung stärken und Anlass sein, die Globalisierung teilweise zu überdenken.

Steigt die Nachfrage nach regionalen Produkten? Ist das ein Lichtblick?

Diese Erfahrung haben wir gerade in unserem Online-Shop im Retter-Bio-Gut positiv gemacht und wir verzeichnen auch eine erhöhte Anfrage für Bio-Urlaub in unserem Retter Bio-Natur-Resort.