Denunzieren leicht gemacht

Ein Leitfaden für die neue Gedanken-Stasi im Netz.

Immer wenn man denkt, die Debattenkultur in Deutschland könnte nicht noch tiefer sinken, meldet sich mit traumwandlerischer Sicherheit eine Institution, ein Amt oder ein Minister zu Wort, der das locker unterbietet. Heute ist es – wieder einmal – die Antonio Amadeu Stiftung. Für Unkundige in der Kurzbeschreibung, eine Institution, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat unter dem Deckmantel des Kampfes „gegen rechts“ alles an die Wand zu stellen, was nicht ins linke Weltbild passt. Geleitet wird dieses Haus, das mit staatlichem Geld arbeiten darf, von Anetta Kahane, diesem sympathischen, wuscheliger Rotschopf, der schon früher bei der Stasi als „IM Victoria“ offenbar entscheidende Skills sammeln konnte, die ihr jetzt zu Nutzen gereichen. Ich nehme an als Dank und durch die große Übung im bisherigen Denunzieren von Menschen auf ihrem Portal, hat unser Bundesjustizminister Heiko Maas die Stiftung in seine sogenannte „Task Force“ gegen verbale Hetze im Netz aufgenommen. Was nicht nur Geld, sondern auch ganz neue Möglichkeiten für die Stiftung geschaffen hat. Endlich kann man sogar mit ministerialem Segen nicht nur anprangern, sondern auch löschen und blocken, wenn die Meinung des blöden Pöbels nicht genehm ist. An dieser Stelle noch ein Einschub in eigener Sache: Bis gestern dachte ich noch, die größte Fehlbesetzung im Bundeskabinett sei Manuela Schwesig. Ich muss mich korrigieren, es ist doch Heiko Maas.

Nun können wir die ersten Ergebnisse von Kahane und Konsorten nachlesen, man hat einen Leitfaden entwickelt, wie der aufmerksame Kleindenunziant von nebenan jetzt auch im Netz aktiv werden kann, und wie er „Hetze gegen Flüchtlinge“ am besten erkennt, bekämpft und meldet. Nicht zu Land zu Wasser und in der Luft, sondern mit Stift, Fake-Account und Screenshot. Nicht nur das Bundesinnenministerium, auch die Bundeskriminalpolizei empfehlen das Schriftstück via Twitter.

Ein Blick hinein lohnte also allemal und einem freiheitsliebenden Menschen könnte fast schlecht werden, was dort gelistet wird.

Machen wir es vorweg kurz: Erich Honecker wäre stolz. Der Weg ist frei für selbsternannte Hilfssheriffs im Netz, Blockwarte und Gedankenpolizisten. Hetze im Netz erkenne ich also laut Leitfaden zum Beispiel daran, dass Menschen mit „Wir“ gegen die „Die“ argumentieren oder dass sie Worte wie „Wirtschaftsflüchtlinge“ benutzen, schließlich ist es ja reine Hetze und völlig abwegig, dass hier Menschen ankommen, die einfach nur unser Geld wollen, und gar nicht auf der Flucht sind. Otto Schily kann von Glück reden, dass er nicht mehr Innenminister ist, immerhin gab er schon 1999 zu Protokoll, dass laut Zahlen nur 3 Prozent der damaligen Asylsuchenden tatsächlich solche waren, während hingehen 97 Prozent „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien. Heute wäre er nach dem Leitfaden, den sein eigenes Ministerium dem eifrigen Bürger zur Lektüre empfiehlt, zumindest ein latenter Alltagsrassist. Aber auch der Hinweis auf eigene Problemgruppen wie Obdachlose, oder der Verweis darauf, dass die Presse nicht die ganze Wahrheit berichtet, entlarvt einen schnell als verkappten Fremdenfeind. Ha! Erwischt!

Auch Humor steht auf dem Index oder Satire, also bitte keine Witze mehr machen über die Flüchtlingssituation. Karikaturisten können sich schon mal warm anziehen und schon das Teilen eines verdächtigen Bildes, das normalerweise unter „Witz“ läuft könnte jetzt bereits Anlass für erste Ermittlungen sein.

Wenn Ihnen übrigens angesichts der aktuellen Polizeimeldungen aus Düsseldorf über den rasanten Anstieg der sexuellen Übergriffe auf Kinder in den örtlichen Schwimmbädern nur noch Sarkasmus hilft, dann ist es übrigens auch nur ein sicheres Zeichen für Ihren latenten Rassismus. Auch der Fakt, dass es in der Silvesternacht von Köln zu massiven Übergriffen durch junge Menschen mit Migrationshintergrund und nachweislich durch Flüchtlinge kam, weiß man in der Antonio Amadeo Stiftung als Rassismus zu deuten. So verweist man in der weiterführenden Literatur auf Eigenproduktionen des Hauses zum „Mythos“ des übergriffigen Fremden. Gerne würde ich diese These einmal mit den Hunderten von jungen Frauen ausdiskutieren lassen, denen dann wohl auf der Kölner Domplatte von einem „Mythos“ zwischen die Beine gegriffen wurde.

Damit bin ich vermutlich auch schon mindestens als „Alltags-Rassist_in“ geoutet und wie ich jetzt weiß, kommt dies in allen Altersschichten und Geschlechtern vor mit einer leichten Tendenz zu „weißen, älteren Männern“.

Da sind sie endlich die „old, white men“, kein Klischee darf fehlen, wenn man auf linker Seite dem Rechtspopulisten und Rassisten auf der Spur ist.

Nun sind sicher viele Leser erst Anfänger im Denunzieren. Da die deutsche Wiedervereinigung nun auch schon ein paar Jahre zurück liegt, sind auch die Stasi-Methoden nicht mehr jedem auf Zuruf bekannt, deswegen ist es wirklich hilfreich, dass das Schriftstück auch ein paar Tipps gibt, wie es am besten geht. Denunzieren leicht gemacht, legen Sie sich einfach ein Fake-Account zu, dann müssen Sie die Meldung nicht mit Klarnamen machen, sondern können das anonym erledigen. Ganz wichtig: Machen Sie einen Screenshot von den verbalen Entgleisungen ihrer Freunde und Nachbarn, wenn es hart auf hart kommt brauchen wir ja Fakten, Fakten, Fakten.

Oder sie machen es wie im Leitfaden empfohlen: „Blocken, blocken, blocken“. Dann müssen Sie sich auch nicht mehr mit anderen Meinungen als Ihrer eigenen auseinander setzen, das macht die Welt tolerant und weltoffen. Rechtsextreme wollen in der Regel sowieso nicht diskutieren weiß man in der Stiftung, Sie machen also auch nichts falsch, wenn sie gar nicht erst anfangen, zu argumentieren. Irrer Weise gibt die gleiche Broschüre aber auch ausführlich Anleitung, wie sie diskutieren und widersprechen sollen und können. Das widerspricht sich zwar selbst, macht aber nichts, schließlich sind wir nicht der Logik, sondern Rassisten auf der Spur.

Sollten Sie noch nie eine Anzeige erstattet haben, kein Problem, ein vorgeschriebener Text ist in der Broschüre enthalten, füllen Sie einfach nur noch die Namen und das Verbrechen ein. Toll. Noch nie war denunzieren in Deutschland so einfach. Jetzt das Ganze auch mit dem Segen des Justizministers, sie müssen sich also auch nicht menschlich schlecht fühlen, sie stehen damit auf der sicheren Seite der „Gutmenschen“. Sagen sie das Wort bloß nicht, es ist gefährlich.

Hier der Link zum Leitfaden