Wo bleibt der „New Deal“?

Kurz nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler hat Christian Kern mit großen Worten verkündet, dass man die Botschaft der Wähler der vorangegangenen Wahlen verstanden habe. Von einem „New Deal“ war die Rede und davon, dass man jetzt als Regierung und große Koalition wohl die allerletzte Chance haben würde, bevor bei der nächsten Nationalratswahl die richtig große Wahlschlappe drohe.

Selbst pessimistische Österreicher waren verlockt zu glauben, dass jetzt einer von denen da oben verstanden habe und damit beginne, viele der drängenden Probleme zu entschärfen. Mit der Finanzierung des Pensionssystems und des Wohlfahrtsstaates, mit der Migrationskrise samt der mittlerweile akuten Terrorgefahr, mit der Staatsschuldenkrise, der Euro- und Griechenland-Krise bis hin zur sehnsüchtig gewünschten Stärkung der Kaufkraft der Österreicher und der Senkung der erdrückenden Steuerbelastung gäbe es ausreichend Handlungsbedarf für die große Koalition und den Bundeskanzler.

UNSER NEUER BUNDESKANZLER ÜBT SICH IN SELBSTVERMARKTUNG MIT SMARTEN AUFTRITTEN UND VORTRÄGEN.

Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt fallen dem politischen Beobacher vor allem zwei Dinge ins Auge. Unser neuer Bundeskanzler übt sich in Selbstvermarktung mit smarten Auftritten und Vorträgen. Von seinem neuen Fotografen-Team lässt er sich auf seinem Instagram-Account mit coolen und lässigen Fotos trendy in Szene setzen. Politisch fällt er dafür mit wenig diplomatischem Geschick auf. Wir erinnern uns an provokante Aussagen über den Koalitionspartner ÖVP betreffend Minister Sobotka und Landeshauptmann Pröll oder über den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Neben der Selbstvermarktung dürfte es Herrn Kern ein Anliegen sein, die eigenen SPÖ-Kader zu motivieren, damit diese nach Serien von Wahlniederlagen wieder Hoffnung schöpfen können.

WIE DER ELEFANT IM PORZELLANLADEN

Beide Dinge (Selbstvermarktung und Motiviation der eigenen Reihen) sind legitim, ob dies aber ausreicht, um unser Land voranzubringen und konkrete Verbesserungen für die Bevölkerung zu erzielen, muß bezweifelt werden. Wer wie der Elefant im Porzellanladen herumtrampelt, wird wohl schwer mit seinem solcherart düpierten Gegenüber am nächsten Tag über konstruktive inhaltliche Lösungen verhandeln können.

Ziehen wir nun eine inhaltliche erste Zwischenbilanz: Bis auf einige Retro-Ideen aus der sozialistischen Mottenkiste (wie beispielsweise die Maschinensteuer, die dann aufgrund der vielen Kritiken flugs positiver als „Beschäftigungs-Bonus“ daherkam) hat sich noch nicht viel getan.

MÖGLICH WIRD DIES DURCH DEN JAHRZEHNTELANGEN ERFOLGREICH ANGEWANDTEN TRICK, DIE STEUERSTUFEN NICHT AN DIE INFLATION ANZUPASSEN.

Dann gibt es da noch den Dauerbrenner „Kalte Progression“. Diese zieht – wie der Name schon sagt – mit unheimlicher Kälte sang- und klanglos den Österreichern durch das Vorrücken in höhere Steuerstufen automatisch jährlich mehr als 400 Millionen Euro aus der Tasche. Möglich wird dies durch den jahrzehntelang erfolgreich angewandten Trick, die Steuerstufen im Gegensatz zu Gehältern nicht an die Inflation anzupassen. Diese Gelder wurden traditionellerweise dazu verwendet, vor Wahlen Wahlzuckerl wie Steuersenkungen zu finanzieren, um sich in der Folge damit die Gunst der Wähler damit zu sichern.

Die große Koalition hat es sich in einem Anfall von Seriosität auf die Fahnen geheftet, die „Kalte Progression“ ab 2017 abzuschaffen. Es ist daher höchst an der Zeit, entsprechende Maßnahmen zu konkretisieren und einen Fahrplan festzulegen (das müsste Herr Kern ja aus dem Effeff beherrschen).Wie die Presse heute berichtet ist der Zug jedoch auf dem besten Wege zu entgleisen. In der großen Koalition ist entgegen der ursprünglichen Intention mittlerweile Verhandlungsstillstand eingetreten. Man redet nicht einmal mehr darüber und die SPÖ blockiert einen seit Anfang des Jahres fertig ausgearbeiteten Vorschlag von Finanzminister Schelling.

SELBSTVERMARKTUNG UND MOTIVATION DER EIGENEN REIHEN

Vielleicht ist diese Art von konstruktiver und positiver Arbeit für das Land aber gar nicht so wichtig für Bundeskanzler Kern. Es kann auch eine strategische oder taktische Erwägung sein, primär auf die Selbstvermarktung und Motivation der eigenen Reihen zu setzen. Wenn bei der nächsten Nationalratswahl erneut ein paar Prozentpunkte an die Opposition verloren gehen, könnte man ja mit Hilfe einer dritten Partei (Grün oder Neos) in einer Koalition mit der ÖVP noch immer den Bundeskanzler stellen.

Ob das die Zukunftvision der Österreicher ist?