Interview mit Univ.-Prof. Dr. Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen – Wagniskapital ist Voraussetzung für Innovationen

Das Interview erschien original in der gedruckten Wirtschaftswunder Ausgabe Winter 18/19 und wurde von Kathrin Nachbaur geführt.

 

Zu den wichtigsten Megatrends, die alle Ebenen der Gesellschaft umfassen und jeden betreffen, zählt Innovation. Was ist Innovation?

Ganz einfach: Neues ersetzt Altes. Innovation kann sich in neuen Produkten niederschlagen, in neuen Verfahren oder Organisationen, die immer etwas besser machen, als das Vorherige. Innovation ist die wichtigste strategische Investition, die man tätigt. So definiert man sein Geschäftsmodell und macht sich am Markt wettbewerbsfähig. Davon kommt dann die Profitabilität. Wer innovativ ist, kann höhere Margen durchsetzen und mehr verdienen. Das ist Wettbewerb, das bringt die Gesellschaft voran.

Verschiedene Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der österreichischen Unternehmen Digitalisierung und künstlicher Intelligenz keine besondere Bedeutung für ihren Betrieb beimisst.

Das ist jetzt eine neue Basistechnologie. Manchmal kommt die Innovation in Schüben. Es tun sich plötzlich neue Anwendungen auf. Das letzte große war die IT Revolution. Plötzlich wurden alle Sekretariate umgebaut, jeder hatte einen Desktop. So ein Schub muss dann breit in der Bevölkerung nachvollzogen werden. Manche sind schneller dabei, als andere. Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie im Wettbewerb in der Zukunft dastehen wollen. Wer zu langsam ist, wird durch lahmendes Wachstum abgestraft. Wichtig ist aber, dass sich ein großer Strukturwandel auch in der Bildung spiegelt. Wir an den Universitäten bauen Studiengänge auf, die Big Data etc behandeln. Da bilden wir aber nur einen kleinen Teil der zukünftigen Arbeitnehmer aus. Jene, die schon lange am Arbeitsmarkt sind, die 30, 40, 50-Jährigen, können nicht neu von den Schulen oder Universitäten ausgebildet werden. In einer Zeit, wo der Wandel so stark stattfindet, ist lebenslanges Lernen und Re-Qualifizierung in der Breite umso wichtiger. Die Belegschaft muss sich selber Fähigkeiten aneignen. Wenn das gelingt, kann man auch darauf hoffen, dass die Früchte der Innovation nicht nur bei einigen cleveren Unternehmen ankommen, sondern breit in der Bevölkerung.

High Tech Unternehmen geben oft bis zu 10% ihres Umsatzes für F&E aus. Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Mittel und dem Output?

Ja, im langfristigen Durchschnitt schon, aber Investitionen in Innovationen sind immer mit Risiko behaftet. Wenn man nur an einem Projekt arbeitet, gibt es einfach ein großes Risiko, dass die Vorhaben die man realisieren will, nicht erfolgreich werden. Man sieht ja, dass in der Regel nur drei von 100 Start Ups wirklich erfolgreich werden. Ein großer Teil ist nach drei Jahren wieder weg. Es gibt auch radikale Innovationen, die ganz radikal scheitern. Das sieht man bei den Wagnisfinanciers, die auf vielversprechende Projekte setzen, aber vieles abschreiben müssen. Aber wenn es gelingt, entstehen ganz neue Märkte, viele neue Jobs und große Vermögen. Innovation ist mit großem Risiko behaftet und genau deshalb spielt die Finanzierung eine wichtige Rolle. Es braucht Wagniskapital, wo es eine Motivation gibt in Innovationen zu investieren, die für Banken schon viel zu riskant sind.
Welche Rolle sollte dem Staat zukommen, oder soll er einfach einen funktionierenden Eigenkapitalmarkt schaffen?

Ich bin ein Marktwirtschaftler. Aber auch in der Marktwirtschaft kommt dem Staat eine wichtige Rolle zu. Das allerwichtigste überhaupt ist ein sicheres Rechtswesen. Die Leute müssen ihre Verträge einklagen können, Eigentumsschutz genießen und das Patentwesen muss funktionieren. Wenn das nicht klappt, finden Investitionen nicht statt, da würde ja jeder Angst haben, dass ihm seine Erträge gestohlen werden. Der Staat hat zwei wesentliche Aufgaben, damit Innovation in der Privatwirtschaft stattfindet: er muss in den Universitäten das Spitzenpersonal in der Forschung ausbilden und Grundlagenforschung finanzieren. Diese ist für Unternehmen viel zu riskant, weil es viel zu unsicher ist, ob und was herauskommt. Aber mit einer gewissen Verzögerung ist das ein wesentlicher Input in die private Innovation. Deshalb hat der Staat tertiäre Bildung international wettbewerbsfähig zu gestalten. Das Wissen kommt dann via Technologietransfer in die Privatwirtschaft, wo entschieden wird, was kommerzialisierbar ist.

Haben die österreichischen Universitäten dafür die richtigen Strukturen? In der Schweiz haben die Universitäten anders als in Österreich unternehmerische Freiheiten und dadurch viel mehr Geld um die besten Professoren anzuziehen.

Es ist in erster Linie eine Frage der staatlichen Investitionen. Die Schweiz ist ein Hochlohnland, die Reallöhne sind immer noch sichtbar höher als in Österreich. Daher gelingt es der Schweiz tatsächlich leichter, Spitzenpersonal anzuziehen. Man muss einmal versuchen einen Schweizer Forscher nach Österreich abzuwerben… Die Schweiz – also Bund, Kantone und Wissenschaftsfonds – investiert kräftig. Die Unis holen sich die besten internationalen Wissenschaftler, wenn sie entsprechende budgetäre Spielräume haben. Die österreichischen Universitäten sind einfach Massenuniversitäten, das muss man sagen. In Österreich muss ein Professor zwei oder drei Mal so viele Studierende betreuen, wie in der Schweiz. Die Zeit, die der Lehre gewidmet werden muss, fehlt dann in der Forschung. Auch sind die Forschungsbudgets in Österreich mindestens um die Hälfte geringer. Gute Projekte kommen so oft nicht zum Zug, weil kein Geld da ist. Für eine hohe Innovationskraft eines Landes muss also entsprechend viel in Grundlagenforschung investiert werden, wenn man wettbewerbsfähig sein will, und da fehlt es ganz deutlich.

Sie haben angesprochen, dass ein sicheres Rechtswesen besonders wichtig ist und dass geistiges Eigentum geschützt wird. Das war genau der Vorwurf der US Regierung an China, im Zusammenhang mit dem Konflikt um das geplante Handelsabkommen und die neuen Zölle.

Ich hoffe, dass sich das bessert, aber natürlich ist es ein riesiges Problem. Die großen Unternehmen, die sich in China engagieren wollten, mussten immer Angst haben, dass ihnen die eigenen Innovationen, die vorher mit großen Investitionen erbracht worden sind, dann in China abgekupfert werden. China möchte technologisch rasch aufholen und hat ein gewaltiges Druckmittel: es ist ein riesen Markt mit bald 1.4 Milliarden Menschen. Da wollen natürlich alle dabei sein und werden dadurch erpressbar. Deshalb braucht es internationale Organisationen, die länderübergreifend gemeinsame Standards im Eigentumsschutz durchsetzen.

Welche Rolle kommt der EU zu? Die Kommission plant 100 Milliarden Euro für den Forschungs- und Innovationsbereich im Rahmen des nächsten Mehrjahresbudgets 2021-2027. Übersetzt sich dieses Geld tatsächlich in kommerzialisierbare Innovationen und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit? Oder sitzen in Brüssel Bürokraten, die Geld fernab von jeder Realität verteilen?

Die Forschungsfinanzierung der EU ist sicher wichtig, aber man muss eine richtige Arbeitsteilung finden zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Das Verhältnis der Mitgliedsstaaten zur EU ist eine Föderalismusfrage, die wir auch innerhalb Österreichs lösen müssen. Jeder soll jene Aufgaben lösen, die er eben am produktivsten lösen kann. Dabei soll es nicht zu einer Doppel Förderung kommen, sondern zu einer Arbeitsteilung. Die EU muss größere Projekte zustande bringen und die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen schauen, dass sie davon profitieren können. Eines der erfolgreichsten Länder, das von den EU Forschungsprogrammen profitiert ist die Schweiz, weil sie selbst kräftig in ihre Universitäten und ihre Forschungsinstitutionen investiert. Wichtig ist, dass man die eigenen Institutionen so gut aufstellt, dass diese dann auch im Wettbewerb von den großen EU Projekten profitieren können. Dabei muss man auf die Effizienz achten. In Österreich gibt es genug Ineffizienzen in der Förderung und es wäre verwegen zu sagen, dass die EU eine perfekte Organisation ist. In manchen Bereichen muss man auch sagen, dass die EU sich einfach zu viel engagiert. Sie ist ja an sich geleitet vom Subsidiaritätsprinzip, das solle man immer ernst nehmen.

 

Dem Begriff „Kleinstaaterei“ haftet ein negativer Geruch an, aber waren nicht gerade die Kleinstaaten, die miteinander in Wettbewerb standen, besonders erfolgreich?

Kleinstaaten können sehr erfolgreich sein. Man kann im Volumen international ein Zwerg sein, aber pro Kopf ein Gigant. Und darauf kommt es für den Wohlstand in einem Land an. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass dieses kleine Land sich international integriert und Zugang zu offenen Märkten hat. Als Gegenleistung muss es natürlich auch die erfolgreichen Tätigkeiten anderer Länder bei sich hereinlassen. Wenn das nicht passiert, ist der Niedergang garantiert. Ein kleines Land kann also sehr erfolgreich sein, wenn es offen ist. Ich will das am Beispiel Innovation erklären. Die erfolgreichsten und innovativsten Unternehmen haben alle hohe Exportquoten von oft 80 bis 100%. Die könnten ihre Investitionen in Innovationen gar nicht tätigen, wenn sie nur auf den Heimmarkt ausgerichtet wären. Sie brauchen, um ihr Wachstumspotential ausnutzen zu können, den Zugang zum internationalen Markt. Für kleine Länder ist das viel wichtiger, als für große. Deshalb brauchen die kleinen Länder auch eine gemeinsame organisierte Aktion, die den internationalen Zugang gewährt und schützt. Trump macht Handelspolitik für die USA, die Chinesen machen Handelspolitik für China und die kleinen Staaten werden sich schwer durchsetzen. Daher kommt der EU eine wichtige Rolle zu. Die EU hat es nicht immer gegeben, aber da gab es andere große Reiche, wie die österreichisch-ungarische Monarchie, die ja halb Europa umfasst hat. Damals waren es regionale Blöcke, die genügend große Märkte geschaffen haben, damit die, die eine spezialisierte Innovation tätigen, auch entsprechend viel absetzen können. Die ganze industrielle Entwicklung ist ja tatsächlich erst mit der industriellen Revolution gelungen und Massenproduktion kann man nicht in einem kleinen abgeschotteten Land absetzen. Es gibt natürlich Länder, die autark sind. Und die sind völlig verarmt, denken Sie an Albanien oder Nordkorea.

In der neuesten HSBC Studie ist Österreich unter den „biggest fallers“ und langfristig von 75 Ländern auf Platz 73 gesehen.

Diese Studien sind schon interessant, Länder werden schematisch nach den großen Wachstumstreibern kategorisiert, wie Bildung, Grundlagenforschung, Steuerquoten, leistungsfähiger Rechtsstaat etc. Die Rangfolgen, die da herauskommen sind ein Indikator, aber die Zeiträume sind sehr lange. In 50 Jahren kann die Politik eine Menge Positives tun oder Negatives anrichten. Für uns kann ein solches Ergebnis nur ein Ansporn sein, darüber nachzudenken, ob wir international an der Spitze dabei sein wollen und entsprechend eine Politik machen, die das unterstützt. Wir haben ja einige Investitionen zu tätigen.

Welche?

In Österreich sehe ich zwei Nadelöhre: Das eine ist die Grundlagenforschung. Unsere Universitäten sind einfach nicht wettbewerbsfähig. Einzelne sind immer auszunehmen, aber im Grunde reicht das, was wir haben, nicht aus für Österreich und unseren hohen Anspruch. Das andere ist: wir haben leider auch einen sehr schlechten Kapitalmarkt. Wagniskapital fehlt, ist fast inexistent. Dieses Problem schleppen österreichische Regierungen seit Jahrzehnten mit, aber eine Lösung haben sie noch nicht gefunden. Wir sind in einem schlechten Gleichgewicht, das hemmt Investitionen in Innovationen und damit Wachstum. Jede Investition muss finanziert werden. Die innovativen Investitionen sind in der Regel die riskantesten. Und wenn etwas riskant ist, braucht man Risikokapital, während der Bankkredit wenig Risiko tragen kann.  Nur mit Bankkrediten geht es nicht, diese kommen erst später. Deshalb braucht es einen starken Kapitalmarkt, der in ausreichender Menge risikotragendes Eigenkapital zur Verfügung stellt.

Ich finde Wagniskapital soll sofort abgesetzt werden können und Investitionen in heimische Start-ups sollen bei Erfolg eine Zeitlang steuerfrei bleiben.

Es wäre viel gewonnen, wenn man im Steuerrecht einige stoßende Diskriminierungen beseitigen würden. Innovation ist riskant, deshalb brauchen innovative Unternehmen risikotragendes Eigenkapital, eben Wagniskapital, und erst in zweiter Linie den Bankkredit, der auf sichere Rückzahlung aus ist. Deshalb darf man Eigenkapital nicht länger gegenüber dem Fremdkapital steuerlich benachteiligen. So wie die Zinsen auf Fremdkapital soll auch eine normale Verzinsung des Eigenkapitals steuerlich abzugsfähig sein. Zudem braucht es einen vollen Verlustausgleich, der gerade bei riskanten Veranlagungen in innovativen Unternehmen wichtig ist. Der Staat darf nicht nur an den Erträgen beteiligt sein, wenn es gut ausgeht, sondern eben auch an den Verlusten, wenn es schlecht verlaufen ist. Es muss ja auch jeder Private bereit sein, Verluste zu tragen.

Zusammenfassend – für weiteres Wachstum, Sicherung und Vergrößerung unseres Wohlstandes brauchen wir jedenfalls 3 Dinge:
1. Der Staat muss deutlich mehr in Grundlagenforschung investieren.

2. Wir brauchen einen funktionierenden Eigenkapitalmarkt. Die Risikobereitschaft muss belohnt werden.

3. Es braucht eine innovative Privatwirtschaft.

Wie bekommt man die? Muss die übertrieben hohe Steuerquote drastisch gesenkt werden?

Steuersenkung ist auch kein Allheilmittel. Ich bin natürlich für eine geringere Steuerlast, aber es kommt immer drauf an, was mit diesen Steuern passiert. Die Unternehmen würden vielleicht die Steuern lieber bezahlen, wenn die Leistung vom Staat stimmt. Ich brauche jedenfalls eine bestens ausgebildete Bevölkerung. Wenn das Forschungspersonal an den Universitäten von den besten Einrichtungen kommt, wird sich das in der Privatwirtschaft niederschlagen. Es braucht natürlich einen verlässlichen Leistungsstaat, der Rechtssicherheit und eine moderne technologische Infrastruktur bietet. Wir brauchen eine größere Risikobereitschaft. Besonders wichtig ist, dass die Arbeitnehmerschaft bereit ist, sich dem Wandel zu stellen.

 

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