Interview mit Anita Lafer

Als Anita Lafer, heute Geschäftsführerin des Unternehmens, 1995 mit einer kleinen Niederlassung von Great Lengths begann, beschäftigte sie 3 Mitarbeiter. Mittlerweile hat die Firma schon 80 Mitarbeiter. Diese betreuen 6.000 Partner in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die neue Produktionsstätte wurde kürzlich in St. Stefan im Rosental gebaut. Great Lengths produziert hochwertige Echthaar-Extensions für Haarverlängerungen und Haarverdichtungen. Die Extensions sind in 60 Ländern erhältlich.

Kathrin Nachbaur: Ihr Unternehmen produziert Echthaar-Extensions und vermarktet diese in der ganzen Welt. Wie sind Sieauf dieses Geschäftsfeld gestoßen? Wie waren die Anfänge für Sie?

Anita Lafer: Ich habe als Bürokauffrau nach der Schule begonnen und komme aus dem Vertrieb. Meine ersten Vertriebserfahrungen
sammelte ich im Lebensmittelbereich. Mit 23 Jahren überlegte ich, was ich noch machen könnte, und sah ein Inserat, dass die Firma Great Lengths, die damals erst seit einem Jahr am Markt war, Vertriebsmitarbeiter suchte. Ich fand das sehr spannend und rief Friseure an, wie das Produkt ankommt – ganz verstanden hatte ich das Modell ja nicht, nachdem die Haare ohnehin von selbst wachsen, aber offenbar war das damals schon als Luxusgut sehr gefragt. Im Laufe der Zeit habe ich mich am Unternehmen beteiligt und halte mittlerweile 30 Prozent.

Nachbaur: Sie haben gerade viel investiert und eine Produktionsstätte in St. Stefan im Rosental eröffnet. Wie kann man sich eine Haarverlängerungs-Produktionsstätte vorstellen?

Lafer: Man muss sich das in etwa vorstellen wie in der Textilbranche. Beim Haar ist nur alles etwas feiner, es ist mehr Handarbeit gefragt. Haar lässt sich nicht maschinell verarbeiten. Wir färben Haar mit speziellen Textilfarben, die sind viel weniger aggressiv als Haarfärbemittel. Wir verwenden indisches Echthaar, das aus Glaubensgründen gespendet wird.

„Hinduisten schneiden sich seit 650 Jahren als Danksagung die Haare ab.“

Hinduisten schneiden sich seit 650 Jahren als Danksagung die Haare ab, damit sie Gott etwas von sich selbst opfern können. Man könnte sagen, manche indische Tempel sind die größten Friseursalons der Welt, im Tempel Tirupati beispielsweise lassen sich täglich bis zu 150.000 Menschen die Haare schneiden. Und die Tempel sind geschäftstüchtig, früher wurde das Haar für Ölfilter und Matratzen verkauft, mittlerweile ist der Preis gestiegen. Haar wurde ein sehr wertvoller Rohstoff, der heute auf großen Auktionen versteigert wird, bei denen allerdings nur Inder mitsteigern dürfen. Ich bin also stolz auf meine Kontakte, die über Jahre gewachsen sind.

Nachbaur: Viele haben das Gefühl, dass das Klima in unserem Land unternehmer- und leistungsfeindlich ist. Empfinden Sie das ebenfalls so?

Lafer: Eigentlich nicht und ich bin fest davon überzeugt, dass das daran liegt, dass wir auf dem Land sind. St. Stefan im Rosental ist so klein, da leben nicht ganz 4.000 Menschen, man kennt einander und unterstützt sich.

„Auf dem Land kennt man einander und unterstützt sich.“

Ich glaube, weil ich hier einfach viele kenne, war das mit dem Unternehmensaufbau wie in einer Familie. Wenn man niemanden kennt, wie das beispielsweise in einer größeren Stadt wäre, weht bestimmt ein rauerer Wind. Ich glaube, dass es im Kleinen besser funktioniert. Ich bekam auch eine gute Unterstützung durch die steirische Landesregierung. Wir haben 5 Millionen Euro investiert und bekamen durch die SFG eine hilfreiche Förderung.

Nachbaur: Einige Unternehmer erzählen mir, dass sie lieber weniger Belastungen erfahren würden, als Förderungen zu bekommen. Zudem das oft so kompliziert ist, dass man eine ganze Abteilung für das Förderansuchen beschäftigen könnte …

Lafer: Also als wir die Förderungsunterlagen bekommen haben, dachten wir auch: Wahnsinn, so viel zum Ausfüllen – da kriegst die Krise! Das schaut alles wahnsinnig bürokratisch aus. Wir wurden aber sehr gut betreut, die Förderstelle hat kompetente Mitarbeiter, die tatsächlich 2 Tage bei uns in der Firma gesessen sind, um den ganzen Papierkram mit uns auszufüllen. Als Laie schaffst du das nicht. Und wieder muss ich sagen: Im Kleinbereich und auf dem Land wird viel getan. Je anonymer, desto schwieriger. Als wir die neue Produktionsstätte eröffnet haben, hat das AMS sogar eigene Workshops veranstaltet, um uns zu helfen, die richtigen Mitarbeiter zu finden.

Nachbaur: Man hört selten, dass alles wie am Schnürchen läuft, das freut mich sehr für Sie! Wie lautet Ihr Tipp für andere Unternehmer oder Leute, die welche werden wollen?

Lafer: Macht eure Firma auf dem Land, denn im ländlichen Raum ist die Welt in Ordnung.

„Macht eure Firmen auf dem Land, denn im ländlichen Raum ist die Welt in Ordnung.“

Wichtig ist auch, gesund zu wachsen. Schön langsam, Eigenkapital aufbauen, dann bekommst du auch von der Bank Geld. Und natürlich ganz klar: Nicht mehr ausgeben als einnehmen.

Nachbaur: Das klingt ja sehr logisch, fast einfach.

Lafer: Ja schon, aber wir haben verlernt, Verantwortung für uns selber zu übernehmen. Immer soll irgendwer für uns verantwortlich sein: zuerst die Eltern, dann die Schule, dann der Staat.

„Wir haben verlernt, Verantwortung für uns selber zu übernehmen.“

Die meisten Menschen sind fremdbestimmt. Das hat natürlich auch einen bequemen Vorteil: Wenn etwas nicht klappt, ist immer wer anderer schuld. Wenn man aber eigenverantwortlich agiert, kann man niemand anderen schimpfen.

Nachbaur: Es gibt ja das alte Sprichwort „Am Land wohnt der Verstand“.

Lafer: Richtig, das sehe ich auch bei unseren Mitarbeitern. Wir haben Werte und sind so erfolgreich – und ich meine nicht materielle Werte. Für mich ist zum Beispiel ganz wichtig, dass wir unsere eigenen Arbeitsplätze schaffen. Ich will auch Lebensfreude für meine Kundinnen schaffen, die Friseure in ihrer guten Arbeit stärken und natürlich glückliche Mitarbeiter haben.

„Meine Mitarbeiter kommen alle aus dem ländlichen Raum.“

Meine Mitarbeiter kommen übrigens auch alle aus dem ländlichen Raum. Wir haben viele junge Mitarbeiter, auch Lehrlinge, wir haben aber auch einige, die bei uns in ein paar Jahren in Pension gehen werden. Bei uns sind aber nur 14 Prozent Männer, und das nur aufgrund der neuen Produktion; früher waren es noch weniger Männer. Das funktioniert gut, denn Frauen sind oft Mütter und haben damit eine andere Lebenseinstellung. Das harmoniert alles gut.

Nachbaur: Sind Sie zufrieden mit der Qualität der Ausbildung?

Lafer: Auch hier bin ich fest davon überzeugt, dass das Niveau in Schulen auf dem Land besser ist als in der Stadt. Aber ich schaue nicht mehr auf die Schulnoten, für mich zählt die Persönlichkeit mehr. Wir setzen auf Persönlichkeit und Hausverstand.

„Wir setzen auf Persönlichkeit und Hausverstand.“

Und man muss auch mal was aushalten können, denn manchmal sind die Kunden unter Stress. Und all das lernt man eigentlich nicht in der Schule, sondern das Elternhaus ist maßgeblich.

Nachbaur: Muss die Schule also besser werden? Und soll der Staat vielleicht noch früher anfangen sich einzumischen? Es wird gerade über das zweite verpflichtende Kindergartenjahr diskutiert …

Lafer: Das ist der komplett falsche Weg – die Kinder so früh wie möglich von den Eltern wegzugeben und die Kleinen möglichst noch im ersten Lebensjahr mit Chinesisch zu berieseln.

„Lassen wir den Kindern mehr Freiraum.“

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das Gegenteil brauchen: Ein guter Lehrer kann sehr entscheidend sein. Er bzw. sie muss den Eltern Ängste nehmen. Lassen wir den Kindern mehr Freiraum. Da lernen sie mehr als aus dem Buch, zum Beispiel wirklich wesentliche Dinge wie Selbstwertgefühl und Teamfähigkeit.

Nachbaur: Ich kenne einen Konzernvorstand, der am liebsten junge Leute einstellt, die vom Bauernhof kommen.

Lafer: Das verstehe ich gut. Kinder vom Bauernhof durften zu Hause mit anpacken, denen wurde was zugetraut. Über den Tellerrand zu schauen, haben wir heute leider oft verlernt. Dabei ist das so wichtig, um andere Sichtweisen zu akzeptieren, Empathie sollte eigentlich ein eigener Gegenstand sein. Wenn man über Empathie verfügt, kommt man besser voran im Leben.

Nachbaur: Durch die Errichtung Ihrer neuen Produktionsstätte in St. Stefan schaffen Sie unzählige neue Arbeitsplätze. Was hat Sie zu der Entscheidung bewogen, in Österreich zu produzieren anstatt in Indien oder China?

Lafer: Das ist eine Frage der Qualität, außerdem bin ich so näher am Kunden. Ich habe mir gedacht, entweder ich verkaufe Qualität und achte darauf, dass sich diese in einem Markennamen manifestiert, oder ich fahr eine Billigschiene. Letzteres kam für mich nicht infrage. Darüber hinaus gilt gerade bei unserem Produkt: Wer billig kauft, kauft teuer.

„Wer billig kauft, kauft teuer.“

Wir reden von Menschenhaar, das ist einzigartig. Wir möchten die beste Haarverlängerung der Welt produzieren und verkaufen. Im Schnitt kostet eine Haarverlängerung 800 Euro und hält mit unseren Extensions für sechs Monate. Wenn sich eine Kundin für so einen Luxusartikel entscheidet, will sie sich auch so lange wie möglich daran erfreuen. Auch die Friseure möchten sich mit einem Qualitätsprodukt abheben. Ein Manager, der auf cost cutting spezialisiert ist, wäre vermutlich nach Südostasien gegangen. Gerade das ist aber die Stärke eines kleinen Betriebes, dass wir nicht getrieben sind vom Zwang, eine Dividende zu erwirtschaften.Die menschliche Gier möchte ich nicht unterstützen.

Nachbaur: Der Wohlfahrtsstaat in Österreich wird oft als überbordend bezeichnet und es wird kritisiert, dass zu viel fürs Nichtstun geboten wird. Sollte der Wohlfahrtsstaat in bestimmten Bereichen eingeschränkt werden?

Lafer: Es gibt in der westlichen Welt ein enormes Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Leute, die staatliche finanzielle Unterstützung bekommen, sind in der Regel Menschen, die es wirklich brauchen. Ich fände es toll, wenn es die Frage nach der Mindestsicherung gar nicht gäbe, weil einfach jeder versorgt ist. Zutiefst unfair ist, dass große Konzerne Milliardengewinne machen und keine Steuern zahlen.

„Man braucht sich nicht wundern, wenn einzelne Personen das System ausnutzen wollen.“

Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn dann auch einzelne Personen das System ausnutzen wollen. Unfair ist auch, dass die KMU die vollen Steuern zahlen, die können nicht ausweichen wie die ganz Großen. Ich will aber nicht klagen, ich verdiene gut, aber habe auch eine große Verantwortung. Ich will meine Arbeitsplätze in unserem Land halten und bin karitativ tätig.

Nachbaur: Sie antworten oft sehr philosophisch, das gefällt mir. Wie beurteilen Sie die gesellschaftliche Entwicklung?

Lafer: Wir sind im Allgemeinen vom Geld getrieben. Ich finde, die Menschen sollen arbeiten gehen, weil sie etwas Sinnvolles machen wollen. Nicht nur des Geldes wegen. Jeder soll tun, was er vermag und kann. Es kann natürlich nicht jeder Millionen verdienen, aber das Image des Berufes, das einen freut, sollte mehr wert sein. Fast alle Eltern wollen ihr Kind zur Matura zwingen. Da gibt es Bewertungen, die nicht gut sind. Natürlich finde ich die Lehre mit Matura sehr sinnvoll. Aber die Matura ist nicht alles. Außerdem wurde sie sehr entwertet, da gibt es heutzutage viel zu viel multiple choice, das hat mit der Realität nichts zu tun. Alles, was praktischer angelegt ist, ist sinnvoller. Wir werden uns noch wundern, wer eines Tages für uns die Möbel baut … Es gilt leider immer weniger der Hausverstand.

Nachbaur: Vor kurzem wurde eine Reform der Gewerbeordnung beschlossen. Inwieweit halten Sie diese für sinnvoll? Führt diese Reform zu einer Abwertung von Lehre und Meisterabschluss?

Lafer: Zunächst einmal ganz allgemein zur Politik: Jeder, der sich Politik antut, ist in meinen Augen bewundernswert oder verrückt. Es gibt überall etwas zu reformieren, aber es ist auch nicht alles schlecht. Auch wenn ich an die Gewerbeordnung oder an die Wirtschaftskammer denke … Es gibt viele Ansätze, die gut sind, der campus 02 ist zum Beispiel eine super Sache. Aber dieses ganze Funktionärswesen – wofür gibt’s das? Was die Gewerbeordnung anlangt: Der Meister ist sehr sinnvoll – der Kunde muss ja wissen, wer qualifiziert ist.

„Es fehlt der Hausverstand.“

Aber es gibt enorme Reglementierungen, viele davon sind übertrieben, viel mehr könnte zusammengefasst werden und damit auch günstiger werden. Wir haben einfach viel zu viele Gesetze und auch hier gilt: Es fehlt der Hausverstand. Alles, was nur vom Bürostuhl aus geführt wird, kann nicht funktionieren.

Nachbaur: Sie sind auch dreifache Mutter. Wie haben Sie alles unter einen Hut gebracht?

Lafer: Ich habe alles unter einen Hut gebracht, indem ich selber meinen Firmenkindergarten gemacht habe. Seit 2007 haben wir schon eine eigene Kinderbetreuung. Ich mache meinen Job im Büro und meine Kinder waren, als sie ganz klein waren, einfach immer dabei, ich habe sie hier gestillt. Erst als sie mobil wurden, brauchte ich eine andere Lösung.

Nachbaur: Soll der Staat für mehr Kinderbetreuungseinrichtungen sorgen?

Lafer: Ich finde, es ist eine tolle Regelung, dass Kinder zumindest 2 Jahre zu Hause bei der Mutter bleiben können. Ich habe eine
Zeit lang in Holland gearbeitet, da gibt man die Kinder nach 3 Monaten weg und es scheint, das Lebensmotto dort ist „me, myself and I“. Es geht mehr um Entertainment und eine Spaßgesellschaft als um den Ernst und Sinn des Lebens. Kein Tier würde sein Baby so bald nach der Geburt weggeben, das ist total unnatürlich.

„Als Frau muss ich meine Mutterrolle ausüben können.“

Wir werden alle so und so alt heutzutage, es bleibt also genug produktive Zeit und als Frau muss ich meine Mutterrolle ausüben können. Bei uns ist der Tag um 17:00 zu Ende, es gibt einfach keine Besprechung um 17:30. Da aber das meiste in der Geschäftswelt männlich dominiert ist, ist das wohl leider die Ausnahme.

Nachbaur: War es schwierig, selber einen Kindergarten zu gründen?

Lafer: Wenn du keine Behörde fragst, ist das ganz einfach (lacht). Natürlich wollte ich von Anfang an, dass es ein sicherer und schöner Platz ist, das musste man mir nicht erst vorschreiben, aber mittlerweile ist das richtig professionell natürlich auch behördlich genehmigt. Ich freue mich, dass auch bei anderen Unternehmen das Verständnis für Betriebskindergärten gewachsen ist.

„Betriebskindergärten wirken sich positiv auf die Mitarbeiter aus.“

Und ich kann bestätigen: Diese Art der Kinderbetreuung wirkt sich positiv aus bei den Krankenstandstagen, bei der Zufriedenheit der Mitarbeiter usw. Auch ist es schön, mal in der Mittagspause ein Kinderlachen zu hören. Auf dem Land haben wir natürlich auch alle Möglichkeiten, die Kinder können im Park spielen, ins Schwimmbad gehen etc., das alles ist in der Stadt wohl doch schwieriger.

Nachbaur: Liebe Frau Lafer, Sie waren eine sehr interessante Gesprächspartnerin! Ich freue mich schon, sehr bald Ihren Betrieb zu besichtigen, und wünsche Ihnen alles Gute!

 
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