Die Politik macht oft Regeln für die A…

…“steirisch ausgedrückt“…Die Flut der Gesetze gibt es für die, die Regeln verletzen. Und die anderen kommen vor lauter Vorschriften schwer weiter.

Interview mit Roland Fink, dem geschäftsführenden Gesellschafter der niceshops Gruppe, einem sehr erfolgreichen steirischen e-commerce Unternehmen.

 

Wann und wie bist du auf die Idee gekommen in den online-Handel einzusteigen?

Begonnen habe ich 2007. Nach vielen gescheiterten online Ideen von anderen, dachte ich mir, ich möchte hier etwas machen, was funktioniert. Das Thema Handel hat sich insofern angeboten, als ich dachte, das kann ja nicht so schwierig sein, einzukaufen, dann zu verkaufen und dazwischen bleibt etwas übrig. Es kam mir jedenfalls von der Controlling Seite her einfach vor. Ich komme ursprünglich aus der Beratung, wo ich viele unterschiedliche Unternehmen zum Thema E-Commerce beraten habe. Ich bin spezialisiert auf Unternehmensbewertung, aber nicht im klassischen Sinne, wo man nur Hard Facts betrachtet, sondern mit Fokus auf die Soft Facts. Das heißt, wenn ein Unternehmen ein anderes gekauft hat, war ich zuständig, die Frage zu beantworten, wie das in zehn Jahren ausschauen könnte. Passt es in den Trend? Ergibt es Sinn – abseits der Fakten? 2007 hatte ich die Idee einen Online Shop zu machen. Mein Bruder, ein Sportwissenschafter, war auch dabei und hat gesagt, mach doch Nahrungsergänzungsmittel, das kommt, das brauchen die Leute. So habe ich also begonnen. Meine Schwiegermama hat die Pakete gemacht. Übrigens eine sehr verlässliche Arbeitskraft, wie wahrscheinlich die meisten Schwiegermamas 😊. Meine Schwägerin machte den Kundensupport. Das ist ein paar Jahre lang so gegangen, wir sind immer mehr gewachsen. Seit 2011 konnte ich mich dann voll auf die Firma konzentrieren. Mittlerweile haben wir 40 verschiedene online-shops von Naturkosmetik, Pferdefutter, Nahrungsergänzung, Lebensmittel, Lederhosen, also wirklich ein breites Sortiment. Wir verkaufen mittlerweile alle 4 Sekunden ein Produkt, und das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

Wie viele Mitarbeiter gibt es mittlerweile bei Nice Shops?

Jetzt sind wir knapp über 200.

Die gesamte Logistik wird von Feldbach in der Steiermark aus gesteuert. Kommen die meisten Mitarbeiter aus der Region?

Naja, wir sprechen 15 Sprachen im Unternehmen, weil wir unsere Shops in vielen europäischen Ländern anbieten und dort auch servicieren und das mit Muttersprachlern. Das führt dazu, dass nicht alle aus der Region kommen. Alleine im Internationalisierungsbereich sind es 50 Kolleginnen und Kollegen, die sich darum kümmern die Websites in all unseren Ländern zu betreuen. Im Kundensupport, Marketing, IT, Finanz usw, sind es aber schon Leute aus der Region.

E-Commerce ist in aller Munde. Wie kann man das einfach erklären?

Es ist ungefähr das, was vor 50 Jahren der Kreisler gemacht hat, indem er die Produkte zu den Bauern geführt hat. Jetzt bestellt man halt online und bekommt die Produkte in alle Welt geliefert. Es ist ein sehr kompetitives Umfeld, weil Logistik immer einfacher wird. Es ist heute viel weniger problematisch nach Spanien, Frankreich, in die USA zu liefern, als noch vor einigen Jahren. Die Welt ist sehr klein geworden durch E-Commerce. In der Konkurrenzsituation beschäftigen wir uns nur mit einem, das ist Amazon, was ganz spannend ist, wenn man sich gleich mit dem Größten misst 😊

Du wirst oft bezeichnet als Mr. Amazon aus Österreich.

Ja, in den Medien, aber das gefällt mir nicht so sehr, weil Jeff Bezos sicher eine andere Kultur hat, als wir sie haben, im Sinne, wie geht man mit Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen um.

Wir sind vorhin durch das Unternehmen spaziert und mir fällt auf, alle lächeln, sind freundlich und gut gelaunt. Das spricht tatsächlich für ein positives Arbeitsklima. Ist das deine Philosophie?

Das ist eine große Säule des gesamten Unternehmens. Wir versuchen die Welt ein bisschen besser zu machen. Primär für uns, die wir hier arbeiten, aber auch für die Umwelt und die Gesellschaft. Gleichzeitig kann das nur funktionieren, wenn du wirtschaftlich erfolgreich bist. Anders geht das nicht. Die Frage ist, wie ein E-Commerce Unternehmen in einem derart kompetitiven Umfeld nicht nur überlebt, sondern auch gut läuft. Ein wichtiger Punkt ist hier sicher, wie wir mit den Menschen im Unternehmen umgehen. Ich habe keine große soziale Komponente in mir, sondern es ist einfach wirtschaftlich hochgradig vernünftig, die Mitarbeiter gut zu behandeln, es ist ein Wettbewerbsvorteil. Wir haben zum Beispiel nicht nur kein Thema beim Recruiting, sondern bei uns gibt es Wartelisten. In vielen Bereichen, im Lager, in der Finanz, im Support.

Oft hört man Unternehmer klagen, dass es kein Personal gibt.

Das hat sicher viel mit Unternehmensphilosophie zu tun, die muss sich an den Zeitgeist anpassen. Ich glaube, dass wir verstehen müssen, dass sich die Menschen geändert haben. Die Ansprüche der jungen Generation sind heute ganz andere. Es geht nicht mehr nur um Geld, es geht um Selbstbestimmung. Es geht darum, wie kann ich Arbeit und Freizeit verbinden. Das heißt flexible Arbeitszeiten, und wir haben auch viele andere Benefits: Gratis Getränke, gratis Essen, Massagen, Gesundheitstrainings, Job Tickets, unter anderem auch 1000 Euro Kinderbetreuungszuschuss im Jahr. Besonders gut angenommen wird das Angebot, dass man jederzeit seine Stunden ändern kann: Du kannst von Vollzeit auf Teilzeit, von Teilzeit auf Vollzeit, du kannst, wenn du willst, im Unternehmen mit 3 Stunden einsteigen nach der Karenz. Wir haben eine sehr hohe Flexibilität, was sehr geschätzt wird. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit home office zu machen, wir haben Gleitzeit.

Wenn man in einem dermaßen hoch kompetitiven Umfeld arbeitet, muss man wohl sehr innovativ sein, um vorne dabei zu bleiben.

Ja, auf jeden Fall. Wir müssen in unserer Software innovativ sein, sodass wir die Prozesse alle im Griff haben. Wir beschäftigen uns mit machine learning: Wie kann ich noch schneller zum Kunden kommen? Außerdem machen wir eigene Produkte. Eigenmarken, sei es in der Kosmetik oder auch ein E-Bike, um die Wertschöpfungskette zu verlängern. In Graz haben wir einen Concept Store, wo wir Handel neu denken. Wo wir Neues ausprobieren mit RFID (radio-frequency identification) Technologie, wo man zB ein Produkt aus dem Regal nimmt und gleich am Bildschirm die Bewertung von anderen Kunden sieht. Wir überlegen, wie sich Handel entwickeln wird und was wir beitragen können, damit den Menschen einkaufen mehr Spaß macht und ihnen auch mehr Information bietet.

Wie entstehen solch innovative Ideen, Konzepte, Produkte bei euch?

Das hat viel mit Kultur zu tun. Wir brauchen keine Innovationsmanager oder Innovationsworkshops, weil das, was das Unternehmen antreibt, ist sowieso der stetige Wandel. The Change. Jedes Jahr anders. Jedes Jahr kommen neue Technologien auf uns zu, mit welchen wir uns beschäftigen. Wie die digitalen Assistenten. Wie können wir hier mitpartizipieren. Was passiert, wenn der Kunde in 5 Jahren sagt, „Hallo Siri, bring mir eine Kiste Bier.“ Die Frage, die wir uns stellen, ist: Wer liefert und wie muss ich mich dafür aufstellen?

Um erfolgreich zu sein, brauchst du viele Firmen, die diese Plattform nutzen wollen. Sind viele schon so weit, um auf E-Commerce umzusatteln?

Bei uns ist die Nachfrage höher, als das Angebot, das wir geben können. Weil es kaum ein Business wie uns gibt. Es gibt zwar jemanden, der dir einen online-shop macht. Jemanden, der dir die Logistik machen. Jemanden, der deinen Support macht. Jemanden, der dir die Homepage übersetzt. Aber es wird dünn, wenn es darum geht, deine E-Commerce Agenden in ganz Europa in einer sehr guten Qualität abzuwickeln, und das in 15 Sprachen.

Was könnte die Politik beitragen, dass ihr weiterhin so innovativ bleibt oder noch mehr Innovationen schaffen könnt?

Politik schafft die Rahmenbedingungen und ich glaube, da tickt unsere Gesellschaft ganz falsch zurzeit, aber es gibt Tendenzen, dass es besser wird. Was ich meine ist, die Politik macht – um es steirisch auszudrücken – Regeln für die A… Die Flut der Gesetze wird eigentlich für die gebaut, die sie verletzen. Damit hinderst du aber so viele Unternehmen, die kein Interesse haben, irgendwelche Regeln zu brechen oder jemandem zu schaden, aber vor lauter Regeln kommen die nicht weiter. Das ist eine Herausforderung für die Politik. Man muss Regeln so gestalten, dass man die richtigen trifft und für die anderen Freiraum zulässt. Ein anderes Beispiel: Wir sind einerseits ein normaler Händler, andererseits ein Unternehmen, das in 20 Staaten umsatzsteuerpflichtig ist. Das heißt, wir unterhalten uns mit 20 Behörden, wir sind auf der Konsumentenschutzseite mit Behörden von Finnland bis Italien konfrontiert, alleine aus dem Umfeld des europäischen Wettbewerbs ist das alles fast nicht zu managen. Man denke alleine an das Abfallwirtschaftsgesetz, es ist schon in Österreich schwer umzusetzen und wir sollten das aber in 20 Staaten richtig machen. Das sind Dinge, die passen einfach nicht zu jungen, dynamischen Unternehmen, die da kommen. Sowas hat es ja früher gar nicht gegeben, wir sind ein relativ kleines Unternehmen, das in ganz Europa spielt.

Das ist eigentlich das ideale Beispiel, wofür der Binnenmarkt geschaffen wurde, damit man eben ohne Barrieren länderübergreifend agieren kann, aber scheinbar funktioniert das nicht.

Ohne Binnenmarkt würde es uns gar nicht geben, aber eines ist sicher, dass wir nicht alles richtig machen können. Die Vorschriften sind überall anders. Die Behörden lassen ja Gott sei Dank mit sich reden, aber man kann wirklich nicht alles richtig machen.

Kommt die Politik überhaupt mit, bei diesem fast „futuristischen“ Geschäftsmodell?

Wir sind in einer Zeit, wo sich alles ganz schnell ändert und weiterbewegt, da kommt die Politik gar nicht mit. Themen wie Datenschutz oder Drohnen oder Machine Learning…in der Politik ist man schon getrieben von den Themen, die schon da sind. Geschweige denn, was da erst alles kommt, wo es noch keine Regeln gibt. Das ist eine riesen Herausforderung für den Gesetzgeber.

Machine Learning hast du mehrmals angesprochen. Sind wir fit in unserem Schulsystem?

Nein, ganz sicher nicht. Wir haben da ein gesellschaftlich-politisches Problem. Was kann Machine Learning überhaupt? Es kann zB für Versicherungen prognostizieren, wie viele Menschen in wie vielen Jahren sterben werden, welche Menschen mit größerer Wahrscheinlichkeit Unfälle haben etc. Was tun diese Unternehmen mit den Daten? Bekommt man dann überhaupt noch eine Versicherung, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man laut Systemberechnung einmal gegen einen Baum fährt? Die europäische Datenschutzgrundverordnung ist hier nicht der Weisheit letzter Schluss, denn die Politik hat die Verantwortung einfach dem Bürger gegeben. Was ja grundsätzlich gut ist, aber 99% der europäischen Bevölkerung liest keine Datenschutzbestimmungen, die sie aber täglich anhaken. Das ist nicht richtig. Die Menschen müssen doch wissen, was sie tun.

Wie könnte man das lösen?

Es ist wichtig, dass Unternehmen ein klares Korsett haben und, dass klar ist, was sie mit den Daten machen dürfen. Aber um das Teilen der Daten führt kein Weg vorbei. Im Gegenteil, das nicht-Teilen von Daten behindert Innovationen, sehen wir uns das Gesundheitswesen an: es ist prädestiniert für Machine Learning, wo die Systeme wirklich viel zum Guten verändern könnten und Milliarden an Gesundheitskosten in Europa ersparen könnte. Alleine wenn man Behandlungen besser miteinander vergleichen könnte.

Die Vorteile sind unstreitig, aber natürlich fällt einem bei diesem Thema unweigerlich Chinas Social Scoring Card ein.

Bei uns kann das nie vorkommen. Es gibt ausreichend Bevölkerungsgruppen, die darauf schauen, dass hier nichts passiert. Aber ich finde, wenn die Menschen selbst entscheiden über die Annahme von Datenschutzbestimmungen, müssen diese zumindest so gestaltet sein, dass sie sie verstehen. Das passiert jetzt nicht. Das muss viel einfacher werden, sowas muss doch in sechs Sätzen zu schaffen sein!

Was ist das Erfolgsrezept in deinem Unternehmen?

Wir haben sehr flache Strukturen. Jeder redet mit jedem. Die Kommunikation geht über die Abteilungsgrenzen hinweg. Es weiß ohnehin jeder, mit wem er reden muss, wenn er etwas verändern oder verbessern will. Auch wichtig ist, dass man bei uns keine Hierarchiestufen überwinden muss, um ein Projekt zu starten. Und überhaupt das Wichtigste, was sich jeder Unternehmer fragen muss, ist: Wie gehe ich mit meinen Mitarbeitern um? Das wird die eigentliche Überlebensfrage.

 

Roland Fink ist verheiratet, 3 facher Papa, seit 1999 Unternehmer. Er gründete nach gefühlten 1000 Fehlern rund um Online-Ideen 2005 seinen ersten Onlineshop. Heute ist er unter anderem geschäftsführender Gesellschafter der niceshops Gruppe, ein E-Commerce Unternehmen aus der Steiermark. Roland Fink spricht gerne auf Konferenzen und ist als Berater tätig. Er gilt als Spezialist im Bereich E-Commerce und Performance-Marketing.