Schuldnerländer haben es jetzt schwer

Interview mit Dr. Franz Schellhorn, Leiter der Agenda Austria.

 

Die Zinspolitik hat Staaten und Unternehmen weltweit zu viel Spielraum gegeben, Sanierungen konnten unterbleiben. Man spricht sogar von Zombie-Unternehmen und Zombie-Staaten. 

Herr Dr. Schellhorn, haben die Corona-Maßnahmen, wo sehr viel Steuergeld ausgezahlt wird, denselben Effekt?

In erster Linie geht es der Regierung meiner Einschätzung nach darum, den „wirtschaftlichen Brand“ zu löschen. Natürlich werden hier auch Unternehmen gerettet, die schon vor der Krise kaum überlebensfähig waren. Aber das muss man in Kauf nehmen, wenn man vor allem verhindern will, dass gesunde Unternehmen im Zuge der staatlichen Beschränkungen unter die Räder kommen. Ob die dafür gesetzten Maßnahmen ausreichend sind, ist aus heutiger Sicht zu bezweifeln.

Inwiefern könnten hier die Schritte der Regierung zu wenig weit gegangen sein?

Vielen Unternehmen sind die Umsätze durch die staatlichen Schließungen weggebrochen, teilweise ins Bodenlose gefallen. Für die Abdeckung der nun anfallenden Verluste dürfen sie sich Geld ausleihen, für das der Staat zum Großteil bürgt. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hat das so zusammengefasst: „Mir kommt das so vor, als ob mir jemand ins Knie schießt, um mir dann einen Kredit für die Operationskosten anzubieten.“ Das hat was für sich. Die Unternehmen müssen für Verluste aufkommen, für die sie nichts können. Mit Geld, das sie zurückzahlen müssen – und falls sie dazu noch in der Lage sind, wird das zu Lasten von Investitionsprojekten gehen. Im Gegensatz dazu wurde die Kaufkraft der Beschäftigten mit einem sehr großzügigen Kurzarbeitsmodell gesichert. So etwas gibt es für Unternehmen nicht einmal ansatzweise.

Haben es andere Staaten besser gemacht?

Nein, es laufen fast überall dieselben Modelle. Aber die Schweiz war sehr schnell. In weniger als fünf Tagen wurden die nötigen Gesetze verabschiedet und die ersten Liquiditätshilfen ausgezahlt. Zinsenfrei. Tausende Beamte wurden von anderen Stellen abgezogen, um Hilfsanträge rasch abzufertigen.

Die Zinsen können nun wohl kaum weiter gesenkt werden. Hat uns die jahrelange Nullzinspolitik der EZB den Spielraum genommen, um die Rezession abzufedern?

Die EZB hat den Spielraum zum Großteil verbraucht. Zu kritisieren ist das insofern, als die EZB ihre Krisenpolitik selbst in der Hochkonjunktur weiter fortgesetzt hat. Jetzt kann sie die Zinsen noch weiter ins Negative drücken – oder Geld drucken, sowie großflächig Staats- und Unternehmensanleihen aufkaufen, was rechtlich nicht ganz unumstritten ist, um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Wir erleben einen gewaltigen staatlichen Aktionismus. Welche Maßnahmen sind sinnvoll, welche zu hinterfragen?

Der Staat hat die wirtschaftlichen Folgen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ausgelöst – insofern kann er sich bei der Eindämmung der Schäden nicht aus der Affäre ziehen. Es war auf jeden Fall richtig, ein großzügiges Kurzarbeitsmodell anzubieten. Das ist zwar sehr teuer, aber volkswirtschaftlich gesehen ist nichts teurer als lange Arbeitslosigkeit. Es ist auch richtig, sich jetzt zu verschulden – wann, wenn nicht in der schwersten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren.

Wie viel wird die Arbeitsmarkt-Situation kosten?

Das ist derzeit nicht abzuschätzen. Weil niemand weiß, wie lange es dauert, auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Derzeit stehen wir bei Kosten von rund 5 Milliarden Euro, das wird aber vermutlich nicht reichen.

Wie sehr wird das Wirtschaftswachstum gebremst bzw. schrumpfen?

Auch das verändert sich nahezu wöchentlich. Klar ist, dass sich die Prognosen derzeit eher verschlechtern als verbessern. Klar ist auch, dass die Wirtschaftsforscher zu Beginn der Krise viel zu optimistisch waren. Sie sind von einem starken Abfall ausgegangen, gefolgt von einer kräftigen Erholung. Also einer Entwicklung, die wie ein „V“ aussieht. Daran glaubt niemand mehr. Realistischer ist ein „U“ mit einem hoffentlich nicht zu langen Bauch. Um die Dimension zu sehen: Wenn die Wirtschaft einen Monat auf 50 Prozent läuft, fehlt uns die Hälfte eines Zwölftels, also knapp vier Prozent Wachstum über das Jahr gerechnet. Geht das über zwei Monate so, sind es mehr als acht Prozent. Wenn der Rückgang heuer einstellig bleibt, können wir zufrieden sein.

Wie viel Wachstum brauchen wir, damit wir auf unser vor-Corona Wohlstandsniveau kommen?

In der Finanzkrise ist die österreichische Wirtschaft um knapp vier Prozent eingebrochen. Wir haben knapp drei Jahre gebraucht, um auf das Vorkrisenniveau zurückzukehren. Das wird dieses Mal auf jeden Fall länger dauern. Entscheidend aber ist, dass wir auf den Wachstumspfad zurückkehren. Wir sehen jetzt auch, wie eine Welt ohne Wachstum und Globalisierung aussieht: Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste auf breiter Ebene.

Wie stehen wir im Vergleich zu anderen Ländern da?

Alle Staaten, die in Zeiten der Hochkonjunktur Überschüsse erwirtschafteten, stehen jetzt deutlich besser da als jene, die immer neue Schulden aufgebaut haben. Schweden, Dänemark, die Schweiz und auch Deutschland können sich jetzt locker verschulden und in die Vollen gehen, im Gegensatz zu Frankreich, Italien oder Griechenland. Österreich liegt näher bei der ersten Gruppe, die Republik wird in näherer Zukunft keine Finanzierungsprobleme haben. Also insofern steht Österreich ziemlich gut da.

Und wie die EU im Vergleich zu den USA und China?

Die EU ist in den vergangenen Wochen eigentlich nicht vorhanden gewesen. Das liegt auch daran, dass die Gesundheitskompetenz in den Händen der Nationalstaaten liegt. Dass es die EU nicht geschafft hat, den Binnenmarkt aufrechtzuerhalten, ist allerdings ein Sündenfall. Zu wünschen wäre, dass die EU ihre Beziehung zu China neu ordnet. Hier fehlt es an der sogenannten Reziprozität: China kann in Europa nach Lust und Laune Unternehmen aufkaufen, umgekehrt funktioniert das nicht, da ist immer der chinesische Staat an Bord. Der Treppenwitz der Geschichte wäre, wenn nun China reihenweise geschwächte europäische Unternehmen aufkaufen würde.

Manche bewerben bedingungsloses Grundeinkommen durch Helikoptergeld. Wäre das zeitlich begrenzt eine Alternative zum bürokratischen Sozialsystem?

Wir haben in Österreich einen breit ausgebauten Sozialstaat, der die Kaufkraft der Bürger absichert. Die USA haben das nicht, deshalb verteilen sie Helikoptergeld. Ich denke, dass unser Modell der sozialen Marktwirtschaft das bessere ist. Ein bedingungsloses Grundeinkommen hat einen großen Haken, weil eben eine Bedingung fehlt, die immer erfüllt sein sollte: jene der Bedürftigkeit.

Sollte es eine Art Triage auch beim Verteilen von Steuergeld geben? Manager sprechen gerne von Resilienz, nun hört man aber, dass oft Reserven geschont werden, da es ja das Corona Paket zum Abholen gibt…

Es wird hier sicher zur Trittbrettfahrerei kommen. Aber wenn der Staat jetzt beginnt, auszusieben, ist es Herbst, bis die ersten Hilfen ausgezahlt werden. Es dauert ja schon Monate, bis Unternehmer die ausgezahlten Kurzarbeitslöhne refundiert bekommen. Entscheidend ist, so viele gesunde Betriebe wie möglich zu retten. Sie sind unverschuldet in die Krise gerutscht.

Die Verteilungsdiskussion hat begonnen. Wie soll die Staatskasse wieder gefüllt werden?

So wie wir das in der Vergangenheit gemacht haben: Über harte Arbeit, viel Fleiß und Innovation. Wir werden uns den Wohlstand nicht drucken können, wir werden ihn erarbeiten müssen. Die Wirtschaft muss wieder ins Wachsen kommen, ohne Wachstum werden wir die Massenarbeitslosigkeit nicht in den Griff kriegen.

Erwarten Sie längerfristig eine Inflation oder eine Deflation und was hätte das jeweils für praktische Auswirkungen auf die Bürger?

Eine Deflation würde sinkende Preise und sinkende Löhne bedeuten. Sie wird als Schreckensgespenst gehandelt, weil sie alle Schuldner schwächt. Sie müssten mit sinkenden Einnahmen ihre Kredite begleichen. Gestärkt würden indessen die Geldgeber und Sparer. Bei der Inflation wäre es genau umgekehrt. Die Preise und Löhne würden steigen, Schuldner könnten mit höheren Einnahmen ihre Kredite zurückzahlen. Für Sparer ist sie Gift, weil die Guthaben an Wert verlieren. Deshalb wird sie auch die Vermögensteuer des kleinen Mannes genannt. Der Schuldner Staat wiederum hofft auf eine moderate Inflation, um die Schuldenberge leichter abzutragen. So wie das auch in der Vergangenheit gemacht wurde. Unsere Regierungen haben kaum Überschüsse erwirtschaftet, aber die Schuldenquoten sind gesunken. Gemessen wird der Schuldenstand in Relation zur Wirtschaftsleistung. Steigt die Wirtschaftsleistung stärker als die Schulden, sinkt die Schuldenquote. Mit anderen Worten: Der Staat braucht Inflation. Allerdings darf sie nicht zu hoch werden, weil sonst die Zinsen steigen müssten.

Was wird kommen?

Man kann nur Vermutungen anstellen. Denn niemand weiß, ob die Nachfrage schneller sinkt als das Angebot. Derzeit scheint das eher der Fall zu sein. Realistisch ist zu Beginn eine deflationäre Phase, gefolgt von einer inflationären. Weil dieses Mal das Geld in den Kreislauf gepumpt wird und noch kein Notenbanker schlüssig erklären konnte, wie das Geld bei anspringender Wirtschaft wieder aus dem Markt gezogen wird.

In der EU wird am Green Deal festgehalten. Können wir uns einen „grünen Neustart“ leisten?

Klar ist, dass hoher Umweltschutz immer eine Frage des hohen Wohlstands ist. Ich glaube nicht, dass der grüne Neustart in vielen Ländern noch ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Die meisten wollen so schnell wie möglich zurück zu einem Leben in Wohlstand und Sicherheit. Dennoch müssen die europäischen Volkswirtschaften innovativer, digitalisierter und nachhaltiger werden.

Einige Unternehmen könnten zu günstigen Übernahmekandidaten werden. Soll sich der Staat zum Schutz beteiligen?

Wir sollten jetzt auf jeden Fall vermeiden, dass der Staat bei Unternehmen als Eigentümer einsteigt. Der einzige Staat, der hier einen konkreten Plan verfolgt, ist China. Wie schon erwähnt: Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet China nun reihenweise geschwächte Unternehmen aufkaufen würde. Das müssen wir verhindern und sollten die Gelegenheit nutzen, unser Verhältnis zu China klären. Chinesen dürfen in Europa alles kaufen – umgekehrt ist aber immer die KP mit 50 Prozent plus einer Aktie an Bord. Das geht nicht.

Sollte der Staat nun bei österreichischen Unternehmen einsteigen?

Das Beispiel AUA zeigt, dass das zumindest in Österreich keine gute Idee ist. Seit Wochen wird darüber diskutiert, wie wir die Tochter eines deutschen Konzerns retten können. Zur Erinnerung: Wir mussten die AUA mit 500 Millionen im Gepäck an die Lufthansa verschenken, weil sie durch die permanenten politischen Einflüsse nicht mehr wirtschaftlich zu führen war. Und jetzt fordern Minister, dass die Luftlinie nur dann gerettet werden darf, wenn sie keine Inlandsflüge mehr anbietet und biogene Treibstoffe einsetzt. Der Plan ist also, Steuergeld in die AUA zu stecken und dann die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu schwächen. Die Ryanair wird sich freuen, für sie und die gesamte Konkurrenz gilt das nicht.

Wird die Pandemie zum Ende oder zumindest einer Veränderung der Globalisierung führen?

Aus meiner Sicht werden bereits begonnene Entwicklungen beschleunigt. Auch die Globalisierung, vor allem bei Dienstleistungen. Vereinzelt werden vielleicht auch Produktionsstätten zurückgeholt. Viel eher wird aber stärker diversifiziert, man wird schauen, nicht mehr von einem Land abhängig zu sein. Aber die Globalisierung lässt sich nicht stoppen, vor allem die ärmeren Länder werden sie vorantreiben.

Sollen bestimmte Güter wieder zur Gänze in Europa oder sogar in Österreich hergestellt werden?

Entscheidend ist, dass die Lieferketten stabiler werden. Also die Zulieferer auf mehrere Länder verteilt werden. Und natürlich ist es erfreulich, wenn sich Österreich im Standortwettbewerb besser positionieren kann und hier eine tragende Rolle spielt.

Ist es sinnvoll in gewisser Weise danach zu streben, autark zu sein?

In keinem anderen Punkt sind sich Ökonomen aller Lager weitgehend so einig: Grenzüberschreitender Handel ist für beide Seiten von Vorteil. Nun spricht nichts dagegen, regionale Produkte zu kaufen. Aber die Grenzen zu schließen und autark leben zu wollen, wäre mit sagenhaften Wohlstandsverlusten verbunden, vor allem für kleine Länder ohne nennenswerte Rohstoffe wie Österreich. Wir sind auf große Absatzmärkte angewiesen. Jeder zweite Euro unseres Wohlstands wird jenseits der Staatsgrenzen erwirtschaftet. Und wir sind auf Importe angewiesen, um fehlende Rohstoffe ins Land zu bringen. Abgesehen davon lindern Billigimporte die Inflation.

Viele EU-Staaten waren schon vor Corona wirtschaftliche Wackelkandidaten. Inwiefern verschärft die Krise die Lage?

Die große Frage wird sein, wie große Volkswirtschaften zu retten sind. Italien, Spanien, aber auch Frankreich. Die Schulden waren schon vor der Krise zu hoch, wenn irgendwo die Inflationsraten explodieren, müssen die Zinsen steigen. Dann stünden wir alle in der Eurozone vor einer sehr schwierigen Situation.

Kommen Euro-Bonds oder eine solche Variante?

Eurobonds sind rechtlich schwer durchzusetzen. Es wird aber Finanzhilfen über den ESM geben. Das ist auch richtig so, weil damit Auflagen verbunden sind. Es ist unmöglich, Italien Geld ohne Auflagen zu gewähren – und im Inland Kreditgarantien an Fluglinien mit hohen Auflagen zu versehen. Das würde politisch zu schweren Verwerfungen führen. Aber die Auflagen an andere Eurostaaten müssen auch erfüllbar sein.

Wird die politische Union zusammengeschweißt oder zerbröckeln?

Hoffentlich ersteres. Aber danach sieht es derzeit nicht aus. Wie schon erwähnt, könnten vielmehr ohne Auflagen gewährte Finanzhilfen neue Zwietracht säen.

Welche Europapolitik würde unsere Gemeinschaft auf einen wirtschaftlich erfolgreichen Weg bringen?

Die EU sollte sich als größere Schweiz verstehen. Mit wichtigen gemeinsamen Grundsätzen und Zielen. Etwa in Fragen des Handels, der inneren und äußeren Sicherheit, der Rechtsstaatlichkeit. Mit gemeinsamen Zielen in der Bildung oder im Bereich des Sozialen. Aber mit viel Handlungsspielraum, so wie das die Schweiz erfolgreich praktiziert.

 

interracial blonde blowjob.http://www.hubofxxx.net snapchat xxx casey calvert slammed by heavy bbc.