Daran hatten die Erfinder und Verfasser des AGVerG (Antigesichtsverhüllungsgesetz), im Volksmund Burka-Verbot, natürlich nicht gedacht: Dass zu Allerheiligen die Verkleidung zum Halloween-Treiben – einem völlig unsinnigen und überflüssigen Import aus den USA - häufig auch in einer Vermummung besteht. Wieder einmal musste daher die Polizei für den Hausgebrauch eine originäre Interpretation des Gesetzes schaffen: „Halloween gilt als Brauchtum, somit sind Verkleidungen jeglicher Art erlaubt."
Zu Zwischenfällen ist es bei der ersten Probe aufs Exempel nicht nicht gekommen (das Gesetz gilt erst seit 1.Oktober), die Polizei erwies sich als humorvoll und großzügig. Genauso wie etwa in Zell am See, wo es auch recht harmlos und freundlich zugeht. Bei den Kontrollen der Einhaltung des Verbots der Vollverschleierung nehmen es die Touristinnen aus Saudi-Arabien oder sonst wo aus der moslemischen Welt mit Humor, die Polizistinnen tun ihre Pflicht so rücksichtsvoll wie möglich.
Man weiß dort, was man aneinander hat: Die Araber kommen gern in den verregneten Salzburger Ort und rudern ihre vollverschleierten Frauen mit Vorliebe bei schlechtem Wetter über den See, denn das finden sie alle besonders lustig. Den Hoteliers ist es völlig gleichgültig, ob sie die Gesichter ihrer weiblichen Gäste sehen, solange der dazugehörige Mann die saftige Rechnung bezahlen kann. In Zell am See hat man gelernt, mit den Zumutungen des Tourismus, von dem man so gut lebt, gelassen umzugehen: „Wir haben die Schweden mit ihren Alkoholexzessen überstanden und die Russen, die mit dem Geld um sich geworfen und die Zimmer beschädigt haben, wir werden auch die Araber überleben“.
Was in vielen moslemischen Ländern die normale Bekleidung einer Frau sein mag, mutet uns wie eine Verkleidung an. Es ist kein Zufall, dass auf den praktischen Anweisungen für die Handhabung des Verbots die Vollverschleierung mit Faschingskostümen und medizinischen Gesichtsmasken in Zusammenhang gebracht wird. Beides ist gleich harmlos. Die Touristin ist bald wieder weg und die vollverschleierte Frau in einem Wiener Randbezirk ist eine eher seltene und groteske Erscheinung.
Ein Problem ist diese Verkleidung nicht wirklich. Das eigentliche Problem ist die Bekleidung. Die Frau, die nach dreißig Jahren in Österreich zwar ohne verhülltes Gesicht, aber sonst immer noch so herumgeht wie seinerzeit im anatolischen Dorf oder in Afghanistan, ist hier nie angekommen. Bei der Elf- oder Zwölfjährigen, die mit verschrecktem Gesicht unter ihrem engen Kopftuch an der Straßenbahnhaltestelle steht, wird die behauptete Freiwilligkeit zum blanken Hohn.
Eigentlich braucht man nur der Schuldirektorin aus Linz das Wort geben, die in einem Leserbrief schrieb: „Ich habe in der Schule die Auseinandersetzungen mit Schülern, die ihre Schwestern/ Mitschülerinnen unter Druck setzen. Ich kenne die Angst der Väter und ihr Bedürfnis, ihre Töchter zu schützen durch die Kopfbedeckung. Ich kenne die Not der Mädchen, die zu mir kommen und mich bitten, das Kopftuch zu verbieten“.
Was also eigentlich notwendig wäre, ist ein Gesetz, das nicht nur Richterinnen, Staatsanwältinnen und Polizistinnen das Tragen von Kopftüchern und ähnlichem (eine genaue Beschreibung wird man brauchen, denn es gibt sehr verschiedenen Bekleidungen dieser Art) verbietet, sondern auch Lehrerinnen und Schülerinnen.